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22.11.2001 - Ausstellung
Massierter Aufmarsch, subversiv
Franz West, 54, wird als internationaler Top-Künstler gehandelt. Dies, obwohl er selbst mit sich und seinen Bewunderern "gnadenlos" verfährt - so der Titel einer Manifestation im Museum für angewandte Kunst.
VON KRISTIAN SOTRIFFER


Nicht zu den mehr oder weniger bedingungslosen Anhängern von Franz West zu zählen, wäre völlig verfehlt. Zumindest für jene, die im Kunstleben nicht plötzlich als eine Art dead man dastehen möchten. Weltweit präsent, gilt er in Österreich im sogenannten Künstler-Ranking als Leader, weit vor seinem Mentor Bruno Gironcoli. Dafür sorgten natürlich nicht jene, die über differente Vorstellungen von künstlerischem Handeln verfügen. Wests Praxis manifestiert sich als Ausdruck seines Ekels von angepaßter Kunstausübung vor allem in ihrer modernistischen Ausprägung, obwohl sein Wirken Wurzeln im Aktionistischen (ver)birgt.

Seine "Weigerung" - wie er sie derzeit im Hauptraum der MAK-Kunsthalle in Form einer Installation bildhaft werden läßt - fasziniert vor allem jene, die sich von Kunst aller Art übersättigt fühlen. In engem Verbund pflegen sie unter sich auszumachen, was jeweils als opportun zu gelten hat: Kuratoren, Kunsttheoretiker, Galerieleiter in einem forcierten und Grenzbalken aufstellenden Zusammenspiel mit allen Arten von Markt-Helfern.

Innerhalb des dadurch entstehenden geschlossenen Kreises hat sich Franz West vorläufig als subversiv, das heißt also auch als regellos agierender Verfertiger skulpturaler Melangen erfolgreich etabliert. Außerhalb reagieren nicht nur Kunstfremde fassungslos: Wenn sie etwa im Umraum des Museums am Lueger-Platz vor einer umkreisten zigarren- oder penisartigen Form, im Fall von mächtigen Pylonenaufsätzen der Stubenbrücke vor knallweißen "Lemurenköpfen" verharren. Genau die damit verbundene Irritation ist dem Mann mit dem grimmigen Blick (wie der Böse - oder der Sheriff - in einem Western) recht. Vor einem Museum wie dem der Sammlung Essl wirkt eine Variante der Lueger-Platz-Infiltrierung wesentlich weniger provokant, wenn auch überraschend.

West ist durch seine "Paßstücke" bekannt geworden, die sich aber kaum wer anpassen lassen möchte, lieber als skulpturale Besonderheit betrachtet wird. Dann kam (1981) Kasper König, Leitfigur unter den Künstler-Hunters, stellte ihn in Köln (wo er jetzt als Museumsleiter wirkt) im Rahmen der "Westkunst" vor und suggerierte etwa in Wien der Generali Foundation in einem feinen Zusammenspiel mit dem Galeristen Peter Pakesch den Erwerb größerer Partien. Die Folge: 1993 erhielt Franz West er von eben dieser Institution den von ihr vergebenen Skulpturenpreis. West wurde ein Großkünstler, verfügt jetzt über mehrere Ateliers und läßt in ihnen arbeiten.

Darmartig und pinkfarben

Das hatte zur Folge, daß er jetzt gar nicht auf ältere Werk-Blöcke zurückgreifen mußte, sondern ausschließlich Neuestes, wenn auch in Analogie zum Vorangegangenen, präsentieren kann. Und zwar aufmarschmäßig: Um die darmartige, pinkfarbene, sich schleifenartig windende Skulptur "Drama" im Rahmen der "Weigerung" reihen sich 25 Tische und 100 Stühle in der west-typischen Antidesign-Ausführung als "Kantine".

Anderswo tauchen Liegen, Diwans aus Eisen, Schaumstoff und Leinen, bemalte, mitunter an Speiseeis erinnernde Formen aus Papiermaché, Gaze, Gips und Lackdosen, Collagen sowie Videos auf.

Am Ende des Aufgereihten und Zusammengeschobenen steht ein als "Selbstbezeichnung" markiertes Ensemble, an dem auch Künstlerkollegen teilhaben. West liebt es, sich selbst und das, was er schon gemacht hat, in Frage zu stellen. Klar kommen soll man mit ihm ja um Himmelswillen nicht.

Was aber empfände er, wenn er jetzt den Volksgarten passierte? Dort erfahren die vielen Rosenstöcke durch vor Frost schützende Säcke ihre Mutation in ein Heer. Wenn demnächst der Westwind Schneewolken herantreibt, erhalten seine Mitglieder weiße Hauben. Das ist eine starke Konkurrenz! Würde aber natürlich von niemandem als künstlerischer Eingriff verstanden werden, der er ja auch nicht ist. Außer von jenen, die schon von Christo gelernt haben. Der aber ist ein Ästhet; Franz West versteht sich als Antipode eines solchen.

Bis 17. Februar; Di. 10-24, Mi.-So. 10-18 Uhr.



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