Geisterfahrer im Genlabor
Von Claudia Aigner
Was ist gesünder: eine Geisterfahrt auf der Südosttangente
montags um 7 Uhr früh oder die Gentechnik? Wenn man die Bilder von Rodrigo
Albert gesehen hat (bis 4. November hängen sie noch in der Galerie Sur,
Seilerstätte 7), ist man geneigt zu antworten: die Gentechnik (freilich
nur, wenn gerade Montag ist und man auf der Südosttangente unterwegs und
noch nicht restlos im Büro angekommen ist). Auch wenn die
"Gen-Verkuppelei" noch nicht so weit gediehen ist, dass ein "Erbgut-Funk"
im Radio nötig wäre ("Achtung, Erdenbürger: Es kommt Ihnen eine
Wollmilchsau entgegen. Bitte bleiben Sie ihr vom Leib und scheren, melken
und faschieren Sie sie nicht"), so scheint Rodrigo Albert doch gewisse
Vorbehalte gegen das "Genetikspiel" zu haben. Und bringt diese mit
"watscheneinfachen", aber nichtsdestoweniger sehr eindringlichen Metaphern
auf die Malerleinwand: Die Doppelhelix ist ein Stacheldrahtzaun und die
Genmanipulation ein lustiges Gesellschaftsspiel, nämlich eine Abart des
Würfelpokers. Auf den einzelnen Würfelseiten steht nun jeweils der
Anfangsbuchstabe einer Base, derer es bekanntlich vier in der DNA gibt
(Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin). Aber wieso hat man auf jeder
Würfelseite gleich zwei Basen zur Auswahl? Vielleicht, um die
Wahrscheinlichkeit, dass eine Base drankommt, gerechter zu verteilen, weil
ja bloß vier verschiedene Basen in der DNA vorkommen und ein Würfel sechs
Seiten hat? Das Endergebnis, das dieses zusammengewürfelte Erbgut dann "am
Hals" haben wird, muss daher äußerst dadaistisch aussehen. Für Rodrigo
Albert ist ein Klon eine verkrüppelte Plastikpuppe oder eine Puppe mit der
Ausstrahlung eines Massenmörders. Mit Letzterer werden Kleinkinder in etwa
so "warm" werden, als hätten sie Freddy Krueger zu Weihnachten geschenkt
bekommen und müssten jetzt mit ihm spielen. Im Prinzip sind hier Fragen
versteckt wie: Wenn Schafe eine Seele haben, hat Dolly dann auch eine?
Verglichen damit hat Rodrigos Hand mit den zwei Mittelfingern (bzw. zwei
Ringfingern), also die Hand, die einen Finger "zu viel" hat, einen
geradezu lächerlich kleinen "genkosmetischen" Eingriff hinter sich, durch
den der Besitzer der Hand jetzt praktisch über 20 Prozent mehr
Fingerspitzengefühl verfügt. Die Bilder wären aber nicht so fesselnd,
wenn der Künstler nicht außerdem ein ausgezeichneter Techniker wäre, der
sich auf lebendige Bildoberflächen versteht (er streut etwa gern
Steinstaub ein). Und das Ganze wird dann noch mit Terpentin-spritzern
"abgeschmeckt".
Erschienen am: 25.10.2000 |
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