Salzburger Nachrichten am 11. Mai 2006 - Bereich: Kultur
KONTRACOM
Ich habe mich verliebt. Auf den ersten Blick. Mittwochmittag auf dem
Residenzplatz. Es waren gerade nicht sehr viele Leute unterwegs, also
verstellte nichts, bis auf ein rot-weißes Absperrband, den Blick. Was für
ein Blick! Wie groß der Raum plötzlich ist, nachgerade imperial. Und da liegt er jetzt. Ein bunter Vogel. Ich dachte lange, er sei gar
nicht bunt. Ich dachte auch, er würde ausschauen, als wäre er vom Himmel
gefallen. Aber nein! Das genaue Gegenteil. Er wurde da hingelegt. Das muss in der Nacht geschehen sein, mit aller Zärtlichkeit, Sorgfalt,
Liebe. Sonst könnte er jetzt nicht so daliegen, so entspannt, als hätte er
tatsächlich seinen imaginären Blick nach oben gewendet (wo gerade ein
Stückchen blauer Himmel war). Als hätte er seine Arme unterm Kopf
verschränkt. Komm aus dem Traum: Es sind doch nur Rotorblätter und eine ziemlich
bullige Schnauze. Aber warum fragte die Frau soeben neben mir: Wie hält
das eigentlich? Ja, das ist vielleicht die Kunst. Nein, sie können mir jetzt alle sagen, das sei doch bloß ein
umgedrehter Hubschrauber. Er ruhe auf Betonpflöcken und sei mit
Drahtseilen gesichert. Ich habe auf den ersten Blick die Drahtseile gar
nicht gesehen. Dann hätten es auch spinnenzarte Fäden gewesen sein können.
Nein, das ist kein Hubschrauber. Das ist ein Wesen, das mich ganz ruhig
werden lässt. War da nicht ein Getöse und eine Aufregung? Das ist jetzt
egal. Danke, dass Du da bist. Und ich habe wirklich einen Traum. Ich möchte dort, wenn alles still
ist, in einer lauen Sommernacht, Musik hören. Man sollte das Wesen und den
Dom dabei im Blick haben. Und ein kleines Orchester und ein kleiner Chor
sollten, zart wiegend, den Schlusschor aus Bachs Matthäuspassion
intonieren: Ruhe sanft!KARL HARB |