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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
03. September 2008
17:09 MESZ

Bis 21. 9., jeden Sa./So. Führungen um 15.00

 

"Kriemhild auf dem Drachenstein" heißt irreführend Alfred Hrdlickas Blatt aus der Nibelungenserie (2000), in der sich der Künstler leidenschaftlich in die verschiedensten Rollen einbringt.


Ein ewig Wilder besteigt den Olymp
Das Künstlerhaus würdigt Maler und Bildhauer Alfred Hrdlicka zum Achtziger mit einer Ausstellung, die dem Theatralischen seiner Figur und seines Werks gerecht wird

"Ich gebe es zu, ich hab's der Welt nie leicht gemacht, ich war unausstehlich. Aber was soll ich machen, ohne Widerstand sumpert man ja nur so dahin. Ich bin nun einmal ein Mann des Widerstands" , schmettert Alfred Hrdlicka. Aber auch die Überwindung dieser Widerstände hat den 80-jährigen Jubilar stets gereizt, zwang er doch Steine wie Menschen mit der Bildhauerfaust zu ihrem Glück.

Reizend war er dabei nie, eher beißend, undiplomatisch, weil seine wilde Leidenschaftlichkeit - so gibt er gerne zu - seiner Karriere genutzt hat. Mit monumentalen Ausdrücken für sich selbst spart er nicht. Sich als "wüstes Kaliber" zu bezeichnen, das adelt den Eitlen. Und auch das ist er gerne.

Was er nicht gerne ist, ist müde und schwach. Im Kampf mit dem Stein - und sicher auch ein wenig dem Wodka, dem er nach wie vor unverhohlen zuspricht - sind Muskeln und Knochen matt geworden, die Bandscheiben abgewetzt, nicht jedoch sein Wille. Zwar nicht mehr in Werken, aber in Gedanken und Worten stürzt sich der Bibelfeste immer noch wie ein Berserker auf die Steine, auf jene, die sich Hrdlicka, dem ungebrochenen "Schwerarbeiter" der Künste, herausfordernd in den Weg legen.

Es sind die Widerstände, die ihn anstacheln. Die politischen Grundfesten dazu legte bereits sein Vater, ein Gewerkschaftsfunktionär und Kommunist, der zur Zwangsarbeit verurteilt wurde. Bereits als Fünfjähriger half Hrdlicka beim Flugzettelverteilen, später lenkte er mit seinem Talent als Schachspieler von den Treffen der illegalen Linken im Kaffeehaus ab. Ein überzeugter Marxist ist er bis heute, kokettiert mit dem Beinamen "Uralt-Stalinist" , rühmt sich, der "Pate der deutschen Linken" zu sein, und nährt sein künstlerisches Schaffen mit Karl Marx' Credo "alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, geknechtetes, verlassenes, verächtliches Wesen ist" . Dazu hat er stets den Mund lautstark aufgemacht: Schon während der Akademiezeit, wo er an das Malereistudium jenes der Bildhauerei anschloss, war er "ein gefürchteter Mensch".

Drangsalierte und Unterjochte

Sein wütender Odem erfüllt seine brachialen, großen wie kleinen Skulpturen, die derzeit entsprechend luftig im Künstlerhaus aufgestellt sind. Dort entwirft man dem Theatralischen in Werk und Figur Hrdlickas eine Bühne und findet in der Architektur August Webers (errichtet 1865-1868) eine angenehme Unterstützung. In Der Titan und die Bühne des Lebens agieren seine Gedemütigten, Unterjochten und Drangsalierten aus fünf Jahrzehnten wie Schauspieler eines großen Dramas. Als Kulisse dienen die riesigen Bühnenbilder, die Prospekte, die Hrdlicka etwa für Luigio Nonos Intolleranza (1960) oder Goethes Faust I und II (1982) gefertigt hat.

Sie zeigen, wie sehr der Künstler ebenso das Toben mit dem Pinsel beherrscht. Insbesondere Letztere führen drastisch vor, womit Hrdlicka zu provozieren wusste: Den Akt der Unterwerfung stellt er oft als sexuelle - mitunter unfreiwillige und brutale - Handlung dar, als monumentalen Rudelbums von Halbgöttern. Und selbst die Aneignung des Geistigen, des Wissens - Goethes Aufsaugen der antiken Welt - zeigt er als "Beschlafung" der seinen geilen Durst stillenden Musen.

Direkt aus dem Atelier wurden die zusammengerollten Prospekte und viele andere Blätter (von den 1970ern bis heute) in die Ausstellung getragen. Arbeiten, von denen er sich nicht trennte, erzählt Kurator Peter Bogner, weil er sie nahe bei sich haben wollte - die der Schau also eine starke persönliche Note verleihen. Einige der alte Bekannten hatte er trotzdem lange nicht gesehen, ließ das große Format doch ein Aufrollen im Privaten nicht zu.

Im Vergleich zur großen Retrospektive des Sammlers Würth in Schwäbisch Hall (bis 14. September)bergen die aus dem Atelier entführten Exponate einen weiteren Vorteil: jenen des besseren Erinnerns. Dort sei er überrascht gewesen, kokettierte "der beste Steinbildhauer, den es gibt" wieder einmal, "weil ich gar nicht mehr gewusst habe, dass ich so viel Monumentales gemacht habe!"

Aber in seinem Olymp hat der stolze Göttervater - seine Wandlungsfähigkeit und -lust zeigt er vor allem in der Nibelungenserie (2000) - auch für andere Platz: Für seine Ehefrau Angelina hat der Titan nicht nur den Porträtplatz neben sich reserviert, sondern auch auf einem Ausstellungskabinettchen bestanden. Dort führt die Muse mit expressionistischem Strich vor, was sie kann. (Anne Katrin Feßler, SPEZIAL/DER STANDARD/Printausgabe, 04.09.2009)

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