Salzburger Nachrichten am 28. September 2006 - Bereich: Kultur
Vom Reiter zur Brücke

Das Leopold Museum Wien ergänzt seine Ausstellung "Deutsche Expressionisten" mit Kostbarkeiten aus der berühmten Sammlung Thyssen-Bornemisza.

ERNST P. STROBLWIEN (SN). "Voller Emotion" sei für sie die Ausstellung, sagte Francesca von Habsburg bei der Presseführung am Mittwoch in Wien. Da sind Bilder zu sehen, die habe ihr Vater zu Hause hängen gehabt. Sie sei damit aufgewachsen. Außerdem komme noch ein weiterer emotionaler Moment hinzu: Rudolf Leopold, der Hausherr der Ausstellung "Deutscher Expressionisten" im Wiener Museumsquartier, erinnere sie sehr an ihren Vater, den 2002 verstorbenen Kunstsammler Baron Heinrich von Thyssen-Bornemisza. Beide hätten nur nach ihrem "persönlichen Geschmack" gesammelt.

Bis 10 . Jänner 2007 sind im Leopold Museum im Museumsquartier rund 130 Werke der berühmtesten deutschen Expressionisten zu sehen, darunter 50 Ölgemälde und 80 Zeichnungen, Grafiken und Aquarelle sowie einige Skulpturen. Eingeflochten in die von Rudolf Leopold und Michael Fuhr kuratierte Schau sind Herzstücke der Sammlung Thyssen-Bornemisza. Der Baron, der 1947 von seinem Vater eine Sammlung mit alten Meistern geerbt hatte, begann Anfang der 60er Jahre mit dem Kauf eines Aquarells von Emil Nolde - das "Junge Paar" ist in der Schau zu sehen - seine eigene Sammlung der Moderne aufzubauen. Nach seinem Tod landeten viele Hauptwerke des deutschen Expressionismus im Museo Thyssen Bornemisza in Madrid und bei verschiedenen Erben, zu denen auch Francesca von Habsburg zu zählen ist. Deren Verbindungen zu Madrid machten es möglich, mehrere wertvolle Exponate zu erhalten, sagte Rudolf Leopold. Als Leihgeber halfen auch die Nationalgalerie Berlin oder die Nolde Stiftung Seebüll aus.

Die Namen der Künstler sind zugleich das Who's who der deutschen Kunst vor und nach dem Ersten Weltkrieg - den übrigens Franz Marc und August Macke nicht überlebten. Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Heckel, Max Pechstein, Otto Mueller, Emil Nolde gehören dazu, aus späteren Jahren sind unter anderem Otto Dix, George Grosz und Max Beckmann vertreten. Von Wassily Kandinsky ist etwa der programmatisch wichtige Almanach "Der blaue Reiter" zu sehen, die gleichnamige Künstlergruppe vertreten neben Kandinsky auch Franz Marc, Alexej von Jawlensky und August Macke.

Die Räume im Obergeschoß des Leopold Museums sind nach Themen bestückt. Auch Vorbilder wie Edvard Munch sind vertreten, Munch mit einer bezaubernden Lithographie "Das kranke Kind". Das Schaffen der "Brücke"-Künstler wird repräsentativ veranschaulicht mit Werken von Ernst Ludwig Kirchner - darunter "Fränzi vor geschnitztem Stuhl" -, Max Pechstein und Otto Mueller und seiner "Zigeunermappe". Den großen Einfluss, den exotische Skulpturen auf die Expressionisten hatten, zeigen afrikanische Skulpturen aus der Sammlung Leopold in Gegenüberstellung zu Gemälden und Holzschnitten von Heckel bis zu Nolde und Schmidt-Rottluff. Neben Primitivismus interessierte die Maler auch Landschaft, wo unter anderem Akte im Grünen entstanden. Die expressionistische Skulptur vertritt beispielsweise Käthe Kollwitz als traumatisierte Mutter eines im Krieg gefallenen Sohnes oder Ernst Barlach mit seinem dynamischen "Rächer" und dazupassenden gruseligen Zeichnungen.

Die Zwischenkriegszeit mit ihrem sozialen Elend bei gleichzeitigem Luxusleben einiger Weniger, enthemmter Lebenslust und bedrückender Not brachte Werke hervor wie die Bilder von George Grosz, der die soziale Dekadenz und politische Korruption anprangerte. "Besitzkröte" heißt ein bezeichnendes Bild. Die Großstadt wurde zum Sujet für eine sozialkritische Note. Zuletzt stellt ein Raum das Spätwerk von Max Beckmann ins Zentrum. "Vor dem Kostümfest" entstand 1945 und markiert inhaltlich wie zeitlich das Ende einer Epoche.

"Schade", bedauerte Rudolf Leopold im SN-Gespräch, "dass die ,Straßenszene‘ von Kirchner nicht in der Ausstellung hängt." Sie wird im November in New York versteigert, nachdem sie aus dem Brücke Museum an die Erben restituiert wurde. Hätte er Geld, sagte Ludwig, er würde mitbieten. Die in der gleichen Auktion angebotenen vier Klimt-Bilder aus dem Belvedere, die zu "verrückten Preisen" gehandelt würden, interessierten ihn nicht.Information: www.leopoldmuseum.org