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Kunstberichte

Land der Aufrechten

Vier junge Maler aus Burkina Faso bringen Farbe ins Palais Porcia
Illustration
- Ein Acrylgefilde von Abraham Abga.  Foto: Atelier Fara

Ein Acrylgefilde von Abraham Abga. Foto: Atelier Fara

Von Claudia Aigner

Ich wollte die dezente Botschaft auf einer Säule im Palais Porcia schon persönlich nehmen (dieses klassische Graffito des Aberglaubens). Das war gewiss ein uraltes afrikanisches Hausmittel gegen den bösen Blick. Zum Beispiel gegen den der Kunstkritiker.

Das naiv gezeichnete, "magische" Auge hatte garantiert einer der jungen Maler hinterlassen, prophylaktisch, nämlich einer von jenen vier Autodidakten aus dem "Land der Aufrechten" (was "Burkina Faso" ja übersetzt bedeutet), die von der Austrian Development Agency (ADA) nach Wien eingeladen worden sind.

Und dieses natürlichste aller optischen Instrumente (eben das Auge) an der Pforte zur Ausstellung soll eindeutig die übelwollenden Journalisten abschrecken wie eine Knoblauchzehe den Dracula. Rolf Laven (Kurator der Schau "ART & Cooperation"): "Nein, das Auge war schon da." (Oh.)

Laven, ein zwanghafter Bilder-Geraderücker, muss dauernd herumzupfen auf diesen Arbeiten, die aus einem der ärmsten Staaten der Welt kommen (und das ist anscheinend auch die Republik der billigsten Bilder, weil sie kaum 229 Euro überschreiten). Den Kurator tratzen sie jedenfalls ordentlich: "Die Bilder ham ein Eigenleben. Die wandern ein bisschen."

Noch nicht im Delirium

Die unterschiedlichen Mal-Temperamente aus Ouagadougou sind nicht unbedingt fundamentalistische Jünger des rechten Winkels. Abraham Abga (bei dem taucht immer ein entsetztes Ich inmitten von Realitätsfetzen auf) heftet gar lediglich oben und unten ein Stangerl an seine flatternden Leinwände. Laven: "Die sind gerollt gewesen. Und mussten gewässert und gestrafft werden."

Laurent Ilboudo: Der trägt seine Farben gern potent auf, ist aber noch nicht im Delirium. Pierre Nikiema erzählt unkompliziert und vielleicht etwas zu simpel vom Straßenleben in Ouaga, und Achille Zoungranas suggestive, diskrete Visionen irgendwo zwischen mentalem Rauschen und Fata Morgana sind an der Grenze zur Unwiderstehlichkeit. In Wien ist alles abenteuerlich verpackt eingetroffen: "In Wellpappe und Zementsäcken. Und die waren getaped ohne Ende."

Plötzlich stehen der Kurator und ich in diesem sterilweißen, glatten Ambiente vor einer ungeschminkten, rohen Wand voller kerniger, grober Steine ("Jessas", denk ich noch: "Das ist das Es vom Palais Porcia!"), zu der müssen die Bilder einen Respektsabstand einhalten (dürfen sich höchstens vorsichtig auf einer Staffelei nähern). "Die ist denkmalgeschützt. Da darf kein einziger Nagel rein." Ein Bild aufzuhängen ist also mitunter Sachbeschädigung.

Wieso heißt das gemeinsame Atelier der vier Malburschen eigentlich "Fara" (zu Deutsch angeblich "Rinde")? Achille: "Als ich hingekommen bin, hieß es schon so." Aha.

ART & Cooperation

Malerei aus Burkina Faso

Palais Porcia, Herrengasse 23, 1010 Wien

Bis 7. September

Enthusiastisch bunt.

Mittwoch, 06. September 2006


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