Ich wollte die dezente Botschaft auf einer Säule
im Palais Porcia schon persönlich nehmen (dieses klassische Graffito des
Aberglaubens). Das war gewiss ein uraltes afrikanisches Hausmittel gegen
den bösen Blick. Zum Beispiel gegen den der Kunstkritiker.
Das naiv gezeichnete, "magische" Auge hatte garantiert einer der jungen
Maler hinterlassen, prophylaktisch, nämlich einer von jenen vier
Autodidakten aus dem "Land der Aufrechten" (was "Burkina Faso" ja
übersetzt bedeutet), die von der Austrian Development Agency (ADA) nach
Wien eingeladen worden sind.
Und dieses natürlichste aller optischen Instrumente (eben das Auge) an
der Pforte zur Ausstellung soll eindeutig die übelwollenden Journalisten
abschrecken wie eine Knoblauchzehe den Dracula. Rolf Laven (Kurator der
Schau "ART & Cooperation"): "Nein, das Auge war schon da."
(Oh.)
Laven, ein zwanghafter Bilder-Geraderücker, muss dauernd herumzupfen
auf diesen Arbeiten, die aus einem der ärmsten Staaten der Welt kommen
(und das ist anscheinend auch die Republik der billigsten Bilder,
weil sie kaum 229 Euro überschreiten). Den Kurator tratzen sie jedenfalls
ordentlich: "Die Bilder ham ein Eigenleben. Die wandern ein bisschen."
Noch nicht im Delirium
Die unterschiedlichen Mal-Temperamente aus Ouagadougou sind nicht
unbedingt fundamentalistische Jünger des rechten Winkels. Abraham Abga
(bei dem taucht immer ein entsetztes Ich inmitten von Realitätsfetzen auf)
heftet gar lediglich oben und unten ein Stangerl an seine flatternden
Leinwände. Laven: "Die sind gerollt gewesen. Und mussten gewässert und
gestrafft werden."
Laurent Ilboudo: Der trägt seine Farben gern potent auf, ist aber noch
nicht im Delirium. Pierre Nikiema erzählt unkompliziert und vielleicht
etwas zu simpel vom Straßenleben in Ouaga, und Achille Zoungranas
suggestive, diskrete Visionen irgendwo zwischen mentalem Rauschen und Fata
Morgana sind an der Grenze zur Unwiderstehlichkeit. In Wien ist alles
abenteuerlich verpackt eingetroffen: "In Wellpappe und Zementsäcken. Und
die waren getaped ohne Ende."
Plötzlich stehen der Kurator und ich in diesem sterilweißen, glatten
Ambiente vor einer ungeschminkten, rohen Wand voller kerniger, grober
Steine ("Jessas", denk ich noch: "Das ist das Es vom Palais Porcia!"), zu
der müssen die Bilder einen Respektsabstand einhalten (dürfen sich
höchstens vorsichtig auf einer Staffelei nähern). "Die ist
denkmalgeschützt. Da darf kein einziger Nagel rein." Ein Bild aufzuhängen
ist also mitunter Sachbeschädigung.
Wieso heißt das gemeinsame Atelier der vier Malburschen eigentlich
"Fara" (zu Deutsch angeblich "Rinde")? Achille: "Als ich hingekommen bin,
hieß es schon so." Aha.
ART & Cooperation
Malerei aus Burkina Faso
Palais Porcia, Herrengasse 23, 1010 Wien
Bis 7. September
Enthusiastisch bunt.
Mittwoch, 06. September
2006