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20.07.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Galerie Winter: Wandertag - A. Huber: Purzelbaum

Wer schon einmal eine längere Strecke zu Fuß bewältigt hat, der weiß, dass beim Gehen eine veränderte Wahrnehmung entsteht. Sei es nun der Wechsel zwischen der visuellen Kleinteiligkeit des Über-Stock-und-Stein und des Blicks zum Horizont oder die erhöhte Sensibilität für den eigenen Körper, die mit gedankenversunkener Automatik abwechselt: Wandern ist eine besondere Erfahrung. Für die "Walking Artists" Hamish Fulton und Michael Höpfner bildet sie die Basis ihrer gänzlich unpathetischen Kunst.

Der 1946 geborene Hamish Fulton wandert stets unter gewissen Vorgaben, er überschreitet zwölf Pässe in zwölf Tagen oder geht von Küste zu Küste. Die metaphysische Verherrlichung seiner Naturerlebnisse liegt dem britischen Künstler fern. Anstatt Fotos erhabener Landschaften produziert Fulton reduzierte Druckgrafiken, die kürzelhaft an seine Touren erinnern. Fultons Arbeiten aus den Achtzigerjahren zeigen bald einen Bergumriss (1500 Euro), bald Wortspiele, das Foto eines japanischen Bambuswaldes (8000 Euro) oder eines schottischen Meilensteins (14.000 Euro).

Dagegen strebt die Kunst von Michael Höpfner, Jahrgang 1972, zusehends von der Wand in den Raum. Zu der aktuellen Installation (15.000 €) gehören zwar noch zwei Fotos von Geröllwüsten, das Zentrum bildet jedoch eine Plastik aus Papier, die an Fäden von der Decke hängt. Diese raumfüllende Struktur lässt gleichzeitig an ein Zelt und an die Oberfläche eines Bergmassivs denken. Was für inhaltliche Facetten seine Fußmärsche durch asiatische Steinwüsten tragen, gibt der Künstler auf einer Zeichnung preis: Unter den dort versammelten Begriffen finden sich "Tourist" und "Counterculture" ebenso wie "Angst" und "The search of a new identity". (Bis 29. Juli, Breite Gasse 17, Wien 7)

A. Huber: Purzelbaum

Wenn Galeristen im Sommer junge Künstler zeigen, dann handelt es sich oft um leichtgewichtige Kost, mit der man kein Risiko eingeht. Anders die drei Positionen in der Galerie Andreas Huber, die den Betrachter auf ganz unterschiedliche Weisen herausfordern. Die Gemälde der deutschen Künstlerin Ergül Cengiz erkunden bildliche Strategien der Verdichtung. Cengiz malt Schwärme von Tauben in verschiedenen Graden der Abstraktion. In "Vögel Eminonu" (3600 €) tummeln sich diese in einer Schneelandschaft, wohingegen ein kleineres Motiv (1900 €) die einzelnen Vögel in einer undurchdringlichen Masse von Flügelschlägen aufgehen lässt.

Neben ihren unheimlichen Taubenbildern hat Cengiz in "Beyoglu" (1600 Euro) auch eine Menschenmenge gemalt, die sich in Punkte auflöst. Zwischen Figur, Gestik und Fleck bewegt sich das gelungene Bild "Ehret die Frauen/
La donna è mobile" von Isa Schmidlehner (7000 Euro). Im Zentrum des bunten, abstrakt wirkenden Gemäldes steht eine in Ansätzen skizzierte Mutter mit Kind, um die herum Putti herabstürzen und Bikini-Schönheiten durchscheinen.

Die Auflösung der Körperkonturen spielt auch in dem rätselhaften Video "Totò nudo" von Diego Perrone eine Rolle. Mittels Computeranimation schickt der Künstler den italienischen Komiker Totò in den winterlichen Wald und lässt ihn dort einen Purzelbaum schlagen. (Bis 3. Juni, Capistrangasse 3, Wien 6) Nicole Scheyerer

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