text breit  text schmal  
drucken 

derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
31. August 2006
05:29 MESZ
Testament von Kokoschkas Witwe wird angefochten
Wiener Neffe fühlt sich von Schweizer Stiftung geschädigt

Genf/Wien - Der Neffe des österreichischen Malers Oskar Kokoschka (1886-1980) hat in der Schweiz vor Gericht das Testament von Kokoschkas Witwe Olda angefochten. Der Wiener Chirurg Roman Kokoschka (63) fühlt sich von der Schweizer Kokoschka-Stiftung geschädigt. Er verdächtigt die Stiftung, die 2004 verstorbene Witwe dazu gebracht zu haben, das Erbe statt der Familie der von ihr gegründeten Stiftung zu vermachen, berichtete sein Anwalt Julius Effenberger laut Schweizer Medien.

Wie Roman Kokoschka am Mittwoch bestätigte, hatte Olda Kokoschka in einem Testament aus dem Jahr 1995 ihn gemäß dem Wunsch des Künstlers als Haupterben eingesetzt. Sie habe dieses Testament im November 1998 wenige Monate nach einem Schlaganfall geändert und die Stiftung als Alleinerben eingesetzt. In einem Anhang aus dem Jahr 2000 sei er mit einer Million Schilling "abgespeist" worden, so Kokoschka. Olda sei nach dem Schlaganfall geistig schwer beeinträchtigt gewesen.

Laut Schweizer Medienberichten entgegnet die Kokoschka-Stiftung, Olda Kokoschka sei bei der Unterzeichnung ihres Testaments 1998 bei klarem Verstand gewesen und habe noch im Jahr 2000 selbst ihren Wagen gelenkt. Roman Kokoschka wirft der Stiftung auch vor, das Mobiliar aus der Villa des Künstlers in Villeneuve versteigert zu haben, während seine Witwe daraus eine Gedächtnis-Stätte habe machen wollen. Statt dessen bewohne nun der Sekretär der Stiftung und ehemalige persönliche finanzielle Berater Olda Kokoschkas das Haus.

Die 1988 gegründete Schweizer Kokoschka-Stiftung besitzt über Tausend Werke von Kokoschka, die im Jenisch Museum in Vevey in der Nähe von Oskar Kokoschkas Schweizer Domizil verwahrt sind. Der Maler war in den 30er Jahren vor den Nazis aus Österreich emigriert. Seit dem Tod Oskar Kokoschkas 1980 verwaltete seine Witwe, eine promovierte Juristin, seinen Nachlass.

Kokoschka ließ sich 1953 in Villeneuve nieder. Er starb dort am 22. Februar 1980. Der Republik Österreich, vertreten durch die Hochschule für angewandte Kunst, vermachte Olda Kokoschka 1996 mittels eines Schenkungsvertrages die gesamte erhaltene Bibliothek sowie zahlreiche Fotos, Archivalien und Dokumente aus dem Besitz ihres Mannes, die als Grundstein für das 1998 eröffnete Oskar Kokoschka Zentrum in Wien dienten. In weiteren bedeutenden Schenkungen ging der schriftliche Nachlass Kokoschkas an die Zentralbibliothek Zürich und ein umfangreicher Bestand von Zeichnungen, Aquarellen und Druckgrafiken an die Albertina.

Olda Kokoschka habe seit 1998 keinen Schriftverkehr mehr geführt, erzählte Roman Kokoschka. Die Stiftung habe ihr eine Sekretärin zur Verfügung gestellt, die möglicherweise auch seine Post an seine Tante abgefangen habe. "Es kam nie etwas zurück." Olda Kokoschka habe die Schriftstücke unterschrieben, die man ihr vorgelegt habe, vermutet der Wiener Arzt. Als er sie im Jahr 2002 im Altersheim besucht habe, wo sie ihre letzten beiden Lebensjahre verbracht hatte, habe er den Eindruck gehabt, sie erkenne ihn nicht mehr.

Er habe das Testament bereits im Herbst 2004 angefochten, nachdem er durch den Anwalt Julius Effenberger davon informiert worden sei, dass zwei frühere Testamente aus den Jahren 1998 und 1995 existieren, erklärte Kokoschka. Im Testament von 1995 habe Olda Kokoschka zudem die Stiftung finanziell nach oben hin begrenzt. Der Erbschein sei in der Schweiz nach wie vor gerichtlich blockiert, da nicht klar sei, welches Testament gültig sei.

Er kämpfe nicht um den finanziellen Wert, sondern um das kulturelle Erbe Österreichs, betonte Roman Kokoschka. Die Bilder würden von der Stiftung in einem Keller im Museum von Vevey unter Verschluss gehalten und der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht, kritisiert er. "Man hat nicht einmal im Vorjahr eine Ausstellung zum 25. Todestag von Oskar Kokoschka gemacht." Die Stiftung weigere sich auch, eine Leihgabe für die bisher größte Kokoschka-Ausstellung zur Verfügung zu stellen, die Klaus Albrecht Schröder kommendes Jahr in der Albertina zeigen wolle.

Der Nachlass enthalte die schönsten Zeichnungen und Aquarelle, die Kokoschka seit 1953 angefertigt und als Referenz bei sich behalten habe. Der errechnete Wert betrage zehn Mio. Schweizer Franken (6,34 Mio. Euro). Roman Kokoschka möchte die Bilder gern nach Österreich holen - "Die Albertina oder das Belvedere wären der richtige Ort" - und in eine europäische Stiftung einbringen, in der auch Kunstfachleute und Kokoschka-Spezialisten vertreten sein sollen. "Es geht darum, dass die Stiftung für das Werk von Oskar Kokoschka arbeitet, was sie die letzten 20 Jahre nicht getan hat." Die Bilder sollten ausgestellt und auch der Forschung zugänglich gemacht werden, wünscht sich der Neffe des Künstlers. (APA)


© 2006 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.