Salzburger Nachrichten am 13. April 2006 - Bereich: Kultur
Und nach der WM ins Heilzentrum

André Heller, Kulturchef der Fußball-WM, zieht Zwischenbilanz - Vergleich mit Salzburger Festspielen

CAROLINE BOCKBERLIN (SN, dpa). André Heller hat als Kurator des Kulturprogramms zur Fußball-WM eine positive Zwischenbilanz gezogen. Bis zum Ende des Kulturprogramms hofft er auf 2,3 Millionen Besucher. "Damit hätten wir mehr als zwei Drittel der Zuschauer, die die Fußballspiele in den Stadien live erleben", rechnete Heller in Berlin vor. Zwei Monate vor dem Anpfiff seien 1,68 Millionen Besucher gezählt worden. Die Bundesregierung hatte das Programm, das eine Premiere in der WM-Geschichte ist, ins Leben gerufen, um Vorfreude zu wecken und Fußball und Kultur zu verbinden. Die Entscheidung des Weltfußballverbands FIFA vom Jänner, die große Eröffnungsgala im Berliner Olympiastadion abzusagen, befremdet Heller nach wie vor. "Die FIFA hat letztlich ein Heidengeld dafür ausgegeben, dass ein funkelndes, sinnliches, 90 Minuten langes Multimedia-Ereignis für ein bis zwei Milliarden Zuschauer in aller Welt nicht stattfindet." Der Verband hatte die Absage mit der Sorge um den Rasen im Stadion begründet.

Die Federführung bei dem WM-Kulturprogramm sei für Heller letztlich auch ein "Ausbildungskurs in der Welt der Mächtigen" gewesen. Das Angebot, 2010 bei der Fußball-WM in Südafrika eine Bühnenshow zu inszenieren, lehnte Heller ab. "Ich werde nie mehr für ein sportliches Ereignis tätig werden. Nicht aus Frust, sondern weil ich das, was ich daran zu lernen hatte, gelernt habe. Mein Leben handelt von Erfahrungen und dem Weitergehen zu neuen Erfahrungen."

Scharfe Kritik übt Heller am Intendanten der Berliner Staatsoper Unter den Linden, Peter Mussbach. Dieser habe zwei Projekte im WM-Kulturprogramm "vergeigt". So sei die Inszenierung einer musikalischen Version des "Sportstücks" von Elfriede Jelinek geplant gewesen, Mussbach habe Jelinek als Komponist Ennio Morricone versprochen. "Das haben die zwar großspurig angekündigt, aber einfach nicht zu Stande gebracht", bemängelte Heller. Außerdem lastet Heller dem Opernchef an, dass auch das Ersatzprojekt "Soccersongs" von Robert Wilson und Herbert Grönemeyer scheiterte.

Das rund 30 Millionen Euro teure Kulturprogramm mit seinen 48 Projekten in 40 Ländern und mehr als 80 Städten weltweit habe sich laut Hellers Zwischenbilanz dennoch mehr als gelohnt. Sein Vergleich: Die Salzburger Festspiele hätten mit einem Budget von etwa 46 Millionen Euro nur gut ein Zehntel der erwarteten Besucher.

Derzeit hat Heller am Gardasee Altkanzler Gerhard Schröder zu Gast. "Der verbringt seine Osterferien in meinem Haus." Und was plant André Heller als nächstes? Ein Zentrum für alternative Medizin, mit Heilern aus unterschiedlichen Kulturen: "Ich möchte in Würde altern", sagt der 59-Jährige.