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derStandard.at | Kultur | Gedankenjahr | Plakative Erregung 
29. Dezember 2005
17:05 MEZ
Staatssekretär Morak: "Themenverfehlung"
Kultursprecher der Grünen und der SPÖ zu den umstrittenen EU-Plakaten: "Nicht der Aufregung wert"

Wien - Kunststaatssekretär Franz Morak (V) bezeichnete die umstrittenen EU-Plakate als "nicht dazu angetan, den Menschen die EU zu vermitteln", und sie seien daher als "Werbeprojekt zum Thema EU" eine "Themenverfehlung", hieß es am Donnerstag. Die Plakate seien "die Menschenwürde verletzend" sowie "sexistisch".

"Alte avantgardistische Strategie"

Der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl, bezeichnete die Affäre als "nicht der Aufregung wert". Die "Provokation um der Provokation willen", die Georg Springer und Wolfgang Lorenz mit den "25 Peaces" betrieben, sei eine "alte avantgardistische Strategie der 60er Jahre. "Lorenz und Springer sind zwei ältere Herren, die ein Leben lang als Kulturmanager mit Künstlern zu tun hatten und sich des öfteren gedacht haben, sie könnten das besser." Dies würden sie nun mit den "25 Peaces" versuchen. Zu den gezeigten Motiven meinte Zinggl, "man muss nicht Fan jeder Art von Kunst sein. Wenn ich durch die Museen gehe, sehe ich viele solcher Dinge. Es gibt so viele Werke in der Kunstgeschichte, die frauenfeindlich sind."

Kritik von Politikern der SPÖ für ihre Position an den umstrittenen EU-Plakaten relativierte SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen. Die umstrittenen Plakate seien ein "Grenzfall", und es sei "gut, wenn diese Diskussion jetzt geführt wird". Muttonen persönlich finde die Motive "nicht so aufregend", jedoch könne sie sich "vorstellen, dass manche Frauen dadurch schon verärgert sind". Diese Aufregung sei "nicht scheinheilig", es sei "wichtig, dass man anspricht, wo eine Frau als Objekt missbraucht wird" und die Menschen "klar ausdrücken, wo sie in ihrem persönlichen Empfinden verletzt" sind. Dass "die Freiheit der Kunst ihre Berechtigung hat und auch in der Verfassung steht", stehe ja "überhaupt nicht zur Diskussion".

Körperlichkeit und Effekte

Das bereits 1866 gemalte Werk von Gustave Courbet, "L'Origine du monde" (Der Ursprung der Welt), auf das Tanja Ostojics Bild Bezug nehme, sei "schlecht zitiert" worden, das Zitat eher "eine Instrumentalisierung Courbets", betonte Muttonen. Denn wo Courbet oder etwa auch Schiele eine neue Körperlichkeit gezeigt hätten, seien die nun umstrittenen Plakate für Werbeflächen an Autobahnen und Straßen entworfen. In diesem Zusammenhang könne man von Sexismus sprechen, denn ein "Plakat sei für ein Massenpublikum" bestimmt.

Das Jahr der "wichtigen EU-Ratspräsidentschaft" solle "anders beginnen", findet Muttonen. Die ausgelöste Diskussion sei "leider keine EU-Diskussion. Mir tut es leid, dass die Europadiskussion nun auf einer ganz anderen Ebene läuft und die wirklichen Inhalte nicht diskutiert werden".

"Gefühl, dass bei 25-Peaces überhaupt nichts hinhaut"

Die ehemalige Wiener SP-Kulturstadträtin Ursula Pasterk hält die umstrittenen Sujets der EU-Plakate nicht für problematisch. "Wer, wenn nicht zeitgenössische Kunst soll ein bissl provozieren dürfen", meinte sie am Donnerstag. Sehr wohl übte sie aber Kritik an der Art der Präsentation. Pasterk: "Diese Art von Kunst muss man anders präsentieren als im Rahmen einer EU-Kampagne."

"Ich habe das Gefühl, dass bei 25-Peaces überhaupt nichts hinhaut", meinte die ehemalige SP-Politikerin. Die beteiligten Künstler würden von den Kuratoren einfach einer Debatte ausgesetzt. Eine sorgfältige Vorbereitung der Kampagne habe es nicht gegeben: "Das war total ungeschickt."

Frauenfeindliches könne sie in den Plakaten jedenfalls nicht erkennen, betonte Pasterk. Und trotz ihrer generellen Kritik am "25-Peaces"-Projekt hält sie laut eigenen Angaben wenig von einem Abbruch der Kampagne. "Ich bin immer gegen Zensur gewesen", sagte Pasterk.

Den Umstand, dass die Kritik an den EU-Plakaten vor allem von Seiten der SPÖ heftig ausgefallen ist, wollte Pasterk nicht ausführlich kommentieren. "Solche Kritik ist immer auch politisch motiviert", meinte sie. Ursula Pasterk war von 1987 bis 1996 Wiener Kulturstadträtin und in einer Plakatkampagne zusammen mit anderen Akteuren des Kulturbereichs Objekt der Kritik der FPÖ.

"Unwürdige Behandlung" der Künstler

Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) übt heftige Kritik an Bundeskanzler Schüssel und Kunststaatssekretär Franz Morak. "Ich halte es für untragbar, zunächst Arbeiten zu beauftragen und sich dann davon zu distanzieren", so Mailath-Pokorny am Donnerstag; der "Kunstkanzler" Schüssel habe völlig versagt. Der Wiener Kulturstadtrat sprach von einer "unwürdigen Behandlung" der beteiligten Künstler: "Die werden jetzt fallen gelassen. Das ist eine hochpeinliche Geschichte."

Mailath-Pokorny zeigte sich zudem überzeugt, dass im Bundeskanzleramt die Finanzierung bekannt gewesen sei: "Ich weiß, dass bei Schüssel und Morak jeder Euro selbstverständlich vorgelegt wird."

Die Plakatmotive selbst wolle er nicht kommentieren. "Es liegt nicht an mir, die Kunst zu beurteilen", so Mailath-Pokorny. Allerdings fehle jeglicher Vermittlungsaspekt. Niemand habe versucht, zu erklären, um was es in der Kampagne gehe. "Ich will nicht über Inhalte diskutieren, aber die Vorgangsweise war untragbar", so Mailath-Pokorny.

Haider: "Entbehrliche Blödheiten"

Als "entbehrliche Blödheiten" hat Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider die umstrittenen "Sex-Plakate" der Aktion 25 Peaces bezeichnet. Die Europa-Plakatkampagne "wird dazu beitragen, dass die Stimmung der Österreicher zur EU nicht besser wird", sagte der BZÖ-Obmann dem "Kurier". In Richtung Franz Morak meinte er, "der Staatssekretär für Kunst müsste in der Lage sein, solche Dinge ordentlich abzuhandeln". Er lasse "sich ja auch von der Kärnten-Werbung die Sujets vorlegen, bevor sie plakatiert werden", so Haider. (APA)


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