"Wirf diesen Satz ins Wasser!"

Über die Arbeit von zwei Männern in einem Boot.
Von Sonja Gerstl.


Der bildende Künstler Klaus Krobath wollte immer schon ein Projekt realisieren, "in dem Wort und Bild ineinander verschmelzen". Nicht als Gegenüberstellung konträrer künstlerischer Disziplinen, sondern als eine Einheit, deren Entstehungsprozess sichtbar gemacht und nachvollziehbar bleiben sollte. Freunde machen ihn dann auf Hans Eichhorn - Fischer, Dichter und Maler in Personalunion - aufmerksam. Der wäre dafür der Richtige. Vielleicht. Das erste Treffen. Keiner kennt den anderen. Gemeinsam entscheiden sie, das Umfeld der Berufsfischerei in ihre Arbeit mit einzubeziehen.

Dokumente aus dem See

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Sommer 1999. Am Attersee. Die erste Ausfahrt um halb acht Uhr morgens: Netze einholen, abernten. Fische ausnehmen, den Fang verkaufen, Netze säubern, flicken. Am Nachmittag dann die zweite Ausfahrt. An verschiedenen Stellen des Sees werden 94 x 94 cm große Leinwände mit Steinen beschwert, an Bojen vertaut und versenkt. Nach einem Monat unter Wasser werden sie wieder an die Oberfläche befördert. Hans Eichhorn notiert: "Statt der Fische ziehen wir Schlamm, Algen, abgestorbenes Plankton, chemisch und daher auch farblich veränderte Leinwände ins Boot."

Gemeinsamer Alltag

Bei Tagesanbruch sitzt Eichhorn allein in seinem Bootshaus, der "Garage", und schreibt. Seinen Berufsalltag teilt er mit Krobath. Auch im Winter. "Manchmal war es saukalt, minus 20 Grad, und wir waren stundenlang draußen am See. Oft sind wir einfach nur stumm dagesessen und haben die Landschaft betrachtet."

Einige Ausfahrten werden auch als "Tonspuren" dokumentiert. "Wir haben den Klang des Attersees aufgenommen und die Gedichte, die der Hans am Boot vorgetragen hat. Und er hat dann nachher immer gesagt, dass er seine Stimme eigentlich nicht hören kann." (Krobath)

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Die Plastikwanne am Steg wird durch eine Leinwand ersetzt, das Fischblut, die Schuppen, die Abdrücke, die die toten Aale am Stoff hinterlassen, mit Bindemittel haltbar gemacht. Ein Dokument aus dem Attersee.

Bootshaus als Atelier

Eichhorns Bootshaus wird zum Atelier. Gelblich-orange verwitterte Bilder lehnen an den Wänden, die Zusammenarbeit ist eng. "Ich hab' im rechten, unteren Eck gemalt, der Hansi hat links oben seine Gedanken dazu notiert", erinnert sich Krobath.

Eichhorn schreibt von dem, was ihn umgibt, was er sieht: die geschlichteten Holzscheite an der Wand, die Spraydose, mit der Krobath gerade arbeitet, die Algenspur auf dem Zeichenblatt, die Tischdecke, die am Gartenzaun zum Trocknen aufgehängt ist. Gelegentlich halten beide den Pinsel in der Hand. Ähnliche Arbeitsprozesse laufen parallel ab. Einer streicht an Sätzen herum, verwirft sie, feilt an Formulierungen. Der andere ist mit dem Blau nicht zufrieden, überlegt, welche Farbe besser passen würde.

Irritation

Kundschaft, die herkommt um Fische zu kaufen, sieht sich irritiert im Bootshaus um. Attersee ist keine Weltstadt, die Geschichte vom seltsamen Treiben dort macht rasch die Runde. "Vielen hat das total getaugt, andere haben sich gedacht, jetzt ist er endgültig übergeschnappt, der Hans", erzäht Krobath.

Der "Jäger" wird im Laufe der Monate zum Stammgast. "Jeden dritten Tag ist er vorbei gekommen, hat Fische gekauft und Tipps gegeben. Meistens war ihm zu wenig Rot auf den Bildern drauf."

Bücher statt Kugelschreiber

Öl, Acryl, Grafit, Farbpigmentfolienabzug
Öl, Acryl, Grafit, Farbpigmentfolienabzug
Einige der Tafelbilder werden in Krobaths Welser Atelier nachbearbeitet. Wieder in Koproduktion und wieder wird vieles dem Zufall und der spontanen Eingebung überlassen. "Der Hans hat sich einen Stecken geschnappt und damit seine Gedichte auf die Leinwand aufgetragen, oder den Kleber genommen und die handgeschriebenen Zetteln einfach aufgeklebt." Vermeintliche Abfallprodukte werden wieder verwertet, finden als "Zugefallenes" erneut Eingang in die Bilder.

Das Projekt soll - so beschließen die beiden - in Form eines Buches dokumentiert werden. Das Land Oberösterreich erklärt sich bereit, einen kleinen finanziellen Beitrag zu leisten. Zu klein. Krobaths Freund - er besitzt ein Grafikbüro in Linz - springt ein. "Ich habe ihm gesagt, er soll doch zu Weihnachten statt der 150 Kugelschreiber 150 Bücher verschenken und das hat er dann getan." "Das Eintauchen Die Verwandlung Die Tonfolge" wird in der "Bibliothek der Provinz" verlegt.

Neue Ufer

Den letzten Sommer verbringt Krobath (Jahrgang 1968) wieder bei Eichhorn (Jahrgang 1956). Man geht gemeinsam fischen und versenkt wieder Leinwände im Attersee. Dieses Mal bleiben die Bilder zwei Monate unter Wasser. Sie werden grüner, weil sich die Algen besser setzen können. Klaus Krobath denkt bereits an neue Projekte: "Man könnte die Leinwände auch im Roten oder im Toten Meer auslegen, oder im Hudson River oder in der Donau..."

Tipps:

"Hans Eichhorn/Klaus Krobath: Das Eintauchen Die Verwandlung Die Tonfolge": vom 2. bis zum 23. Februar 2001 im Wiener Literaturhaus.

Die Ausstellung basiert auf dem gleichnamigen Buch, das im Vorjahr in der Bibliothek der Provinz erschienen ist.

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