VN Sa, 11.11.2006

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MEINUNG

Die Kultur und der Chef

Berlin ist nicht nur die Hauptstadt von Deutschland, sie ist auch die Kulturhauptstadt der Bundesrepublik. Zumindest. Manche meinen, Berlin sei auch auf dem Wege, die wichtigste Kulturstadt von Europa zu werden. Tatsache ist, daß Kunst und Kultur in Berlin einen besonderen Stellenwert haben. Und da hat der vor zwei Monaten im Amt bestätigte Regierende Bürgermeister von Berlin, der Sozialdemokrat Klaus Wowereit, nun einen besonderen Schritt gesetzt.

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen der rot-roten Regierung hat Wowereit nämlich erklärt, daß er in Zukunft selbst für den Bereich Kultur zuständig sein werde. Wowereit meinte mit Stolz auf seine Entscheidung: "Kultur ist dann beim Regierungschef angesiedelt. Schwergewichtiger kann es nicht sein!" Schließlich sei bekannt, daß er großes Interesse für Kultur habe, daher freue er sich auch auf die neue Aufgabe.

Ganz so erfreut wie Wowereit zeigten sich nicht alle. Die ehemalige Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler, eine Parteifreie, hat vor den Folgen gewarnt. Dadurch, daß sich der Regierende Bürgermeister nun selbst der Kunst und Kultur annehmen werde, würden diese Bereiche "zur Chefnebensache", nicht zum "Schwergewicht" in der Regierung. Goehler machte auch auf "die symbolische Bedeutung des Verschwindens" eines eigenständigen Kulturressorts aufmerksam. "Auch dadurch, daß es nun keinen Kultursenator mit Rederecht im Parlament mehr gibt, wird es ganz deutlich: Die Kultur verliert die Stimme." Manche, wie etwa Manuel Brug in der "Welt", meinen auch, daß Klaus Wowereit einen etwas eingeschränkten Kulturbegriff habe, er sei dort zu finden, "wo es glänzt, wo es schön ist, wo es Spaß macht". Und Adrienne Goehler sagt dazu, daß sie fürchte, daß Wowereit eher "auf den feinen Zwirn achtet und von der Kunst das Schöne, das Gute und das Wahre erwartet". Wichtig aber sei - vor allem international - für Berlin das, was "in den Branchen, Clubs und Labels" geboten werde - und das wiederum sei Wowereits Sache nicht.

Ohne hier in politische Diskussionen in Berlin eingreifen zu wollen, könnte man den Damen und Herren doch einen Rat geben: Sie mögen den Blick - wie das in jüngerer Zeit ja immer öfter geschieht - nach Österreich wenden. Da könnten sie lernen. Denn auch hier war es ein sozialdemokratischer Bundeskanzler, nämlich Viktor Klima, der im Jahre 1997 die Kultur zur "Chefsache" erklärt, das Kulturministerium abgeschafft und Peter Wittmann zum Staatssekretär für Kultur gemacht hat. Auch Klima hatte damals gemeint, daß man mehr für die Kultur nicht tun könne, als sie beim höchsten Amt, nämlich beim Bundeskanzler, anzusiedeln. Wir kennen das Ergebnis. Klima hatte keine Zeit, vielleicht auch zu wenig Interesse, Wittmann war deshalb ein zu leichtes Gewicht innerhalb der Regierung. Diese Praxis wurde dann auch von der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel ab 2000 fortgesetzt.

Wir könnten aus der nun zehnjährigen Erfahrung eine Warnung nach Berlin schicken: Ein Regierungschef hat so viele Aufgaben, Termine, Verpflichtungen, daß die Kultur zwangsläufig zur Nebensache, nicht zur Chefsache wird. Gerade deshalb gibt es ja so viele aus Kunst und Kultur, die im Zuge der derzeit laufenden Regierungsverhandlungen (wenn man von solchen überhaupt noch sprechen kann) fordern, daß für Kunst und Kultur wieder ein eigenes Ministerium geschaffen wird. Denn nicht nur Berlin setzt in der internationalen Politik auf Kultur. Auch Österreich. Das lebt geradezu von der Kultur.

VON WALTER FINK




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