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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst | ars electronica 
03. September 2006
18:56 MESZ
Foto: APA/RUBRA
Klangwolke 2006: Der Liedermacher Hermann van Veen erzählte mit einfachen Bildern die Geschichte einer Ente, die gegen triste Lebensumstände von Kindern eintritt.

Themenbaracken für Europa
Als Testspiel für die Kulturhauptstadt 2009 ist die Ars Electronica 2006 in Linz gefloppt

Die Behauptung allein macht noch längst keine Metropole. Defizite prägen den Stadtraum.

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Linz - Gastronomisch gesehen ist Linz die Zentralsahara. Dafür aber hat es die Ars Electronica. Und verhungert ist schließlich auch noch keiner. Und wer physisch wie psychisch einen Bummel durch die nächtliche Altstadt übersteht, der findet letztlich auch zu seinem Drink. Den braucht er auch, um vom Charme der Hotellerie nicht vollends überwältigt in die Knie zu gehen.

2009, ist man sich sicher, "sind wir Kulturhauptstadt!" Stolz verweist man auf längst schon bewiesene Reife: auf den gläsernen Bahnhof mit seiner am Sonntag geschlossenen Buchhandlung (der Fortschritt zeigt sich darin, dass es im Altbau keine Buchhandlung gab) und darauf, dass dieser Bahnhof in einer Achse mit dem Jahre nach den Hauptstadtfeiern noch zu eröffnenden Musiktheater steht (blöd nur, dass diese Achse von einem eher massiv geratenen Landesdienstleistungszentrum verstellt ist, an dessen Fassaden sich der künftige Hauptstadtflaneur auf der Suche nach dem Stadtzentrum irrlichternd wird vorbeidrücken müssen).

Stolz verweist man auf Lesetürme, solargespeiste Mustervorstadtsiedlungen, eine Mini-U-Bahn und ein Mega-spektakel auf dem Pflaster der straßenbahnbedingt zweigeteilten Fußgängerzone. (Diese endet in einem von Fastfood-Gewölben devastierten, teilbarocken Hauptplatz, den man hinter den das Jahr strukturierenden Themenbarackensiedlungen gar nicht vermuten würde, die jetzt noch die Ars Electronica verkünden und hernach gleich den Advent.)

In Linz ist die Bevölkerung immer voll beteiligt. Ein Erfolgsrezept! Das Publikum, egal welcher Veranstaltung, ob Hightech oder Most-Kost, setzt sich immer aus überwältigend vielen Linzern zusammen, die immer wieder auch die Chance bekommen, Veteranen aus den eigenen Reihen zu beklatschen, egal ob Voestler oder Stadtwerkstattler. Und weil eben gerade wieder einmal Ars Electronica ist, sind der Linzer, die Zukunft der Haushaltselektronik und die Elite des globalen Designs so interaktiv miteinander verbunden wie sonst nur beim Saturn 200 Meter weiter.

Dünne Luft

Und Klangwolke ist sowieso jedes Jahr. Auf Christian Kolonovits kann ganz einfach nur Hermann van Veen folgen. An der Spitze ist die Luft eben dünn. Um trotzdem jedem Linzer einen jederzeit tiefen Atemzug zu garantieren, hat sich die Stadtführung entschlossen, dort jahrmarktgerechte Freiflächen zu lassen, wo aus städteplanerischen Überlegungen heraus das Musiktheater hätte hinkommen müssen: am Donau-Ufer, dem Lentos gegenüber, als ausgleichendes Pendant zur einzig bekannten mitteleuropäischen Stufenpyramide, dem Rathaus am linken Brückenkopf. (Stattdessen wird sich dort bis 2009 in Augenhöhe mit den dort zu Geschäftszwecken in Massen ausgeführten Dackeln der Anbau zum Ars-Electronica-Center ducken.)

Einfach ist eben schwierig, und Tradition muss unter allen Umständen gewahrt bleiben. So wie ja auch ein Vierteljahrhundert Ars Electronica genügt, deren Position außer jede Frage zu stellen, die lieb gewonnene Hülle alljährlich mit einem Thema zu stopfen. Simplicity bläht heuer die Haut, und der Aufschnitt unterscheidet sich durch nichts von jenem der Festtage davor: Konferenzen, Interaktionsrummel, Selbstreflexion, angemessene Milde in Kritik und Ironie, Massenmobilmachung am Hauptplatz (heuer in der Hoffnung auf erleuchtendes Training am Ergometer).

Und noch eines ist gleich geblieben: Kooperiert wird nicht, konstruktiv aneinander gerieben auch nicht. Wie sonst ist es zu erklären, dass im Lentos zur Zeit der dank Ars immer noch höchsten Aufmerksamkeit der Medien keine überregional konkurrenzfähige Schau zustande kommt und die Gregory-Crewdson-Ausstellung im Landesmuseum erst kommenden Mittwoch eröffnet? Etwa als Hommage an die Mini-U-Bahn? (Markus Mittringer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. 9. 2006)


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