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25. September 2009
18:49 MESZ

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Klaus Staeck

Ansichtssache: Plakate

 

Seine satirische Auseinandersetzung mit Politik provoziert. Seit der Wiedervereinigung setzt sich Klaus Staeck häufig mit deutschen Befindlichkeiten auseinander, wie diese Standard-Ausgabe zeigt.


"Kein Hellseher, sondern politischer Beobachter"
Klaus Staeck gehört seit fast vier Jahrzehnten zu den profiliertesten politischen Plakatkünstlern Deutschlands. In seinem Lebenslauf und seiner künstlerischen Arbeit spiegelt sich die deutsch-deutsche Geschichte

Berlin - Von seinem Schreibtisch aus überblickt Klaus Staeck den Pariser Platz und sieht zum Brandenburger Tor. Dass er seit mehr als drei Jahren als Präsident der Akademie der Künste an diesem historischen Platz sein Büro hat, hat Symbolkraft. Staeck ist 1938 in Pulsnitz in der DDR geboren, in der Industriestadt Bitterfeld aufgewachsen. "Wenn man bis zum 18. Lebensjahr wo lebt, ist man geprägt für sein Leben."

In der DDR habe er das Widersprechen gelernt, aber rasch begriffen, dass er hier keine Zukunft habe. Die Flucht sei damals noch einfach gewesen. "Man setzte sich in den Zug und kam nie wieder." Er fuhr nach Heidelberg. Die halbe Schulklasse sei damals, 1956, in den Westen gegangen. Die Konsequenz war: Seine Brüder durften die Oberschule nicht besuchen. "Das hat mich gepiesackt. Sie haben mir das aber nie vorgeworfen." Die Treffen der Geschwister in Prag und Warschau seien vom Geheimdienst beobachtet worden, habe er später aus den Staatssicherheitsakten erfahren.

Die Erfahrungen in der DDR und nach seiner Ankunft in der Bundesrepublik haben ihm gezeigt: "Man muss sich einmischen." Das hat er getan, fast sein ganzes Leben lang. 1960 trat er in die SPD ein und sieht sich selbst als "überzeugter Linker" . Nachsatz: "Als Sozialdemokrat."

Deutsch-deutsches Gerede

Seitdem er aus der DDR weggegangen war, kämpfte Staeck gegen die Teilung in zwei deutsche Staaten: "Ich habe immer gesagt: Das ist ein unnatürlicher Zustand, wenn ich meine Mutter nicht sehen oder zu einer Beerdigung eines Verwandten fahren kann." So hat er sich schon 1963 als Jusstudent engagiert und einen Studentenaustausch mit Leipzig organisiert - kritisch beäugt von den eigenen Genossen: "Es gab immer nur deutsch-deutsches Gerede, aber konkrete Aktionen waren nicht erwünscht."

Seine Brüder, Mutter und Großmutter wollten just am Tag des Mauerbaus, am 13. August 1961, ebenfalls das Land verlassen. Weil sie sich verspätet hatten, kam ihnen aber die Bauarbeiter dazwischen, und sie mussten umkehren.

Zur Kunst kam der studierte Jurist als Autodidakt, er gestaltete Postkarten. Heute umfasst sein Werk rund 300 Plakate und zahlreiche Fotos, die in mehr als 3000 Ausstellungen präsentiert wurden. Bekannt wurde Staeck Anfang der 70er-Jahre durch seine satirische Auseinandersetzung mit der Politik. "Ich war immer politisch, und ich hatte immer das Ziel, eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Das ging mit Grafiken nicht. Da dachte ich mir: Warum nicht Plakate?" Damals habe es auch die Tendenz gegeben, Kunst auf die Straße zu tragen.

Seine erste Plakataktion 1971 zum Dürer-Jahr in Nürnberg (Zum Konterfei der alten Frau die Frage: "Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?" ) führte zu mehr als zweihundert Anrufen bei der Stadtverwaltung. "Das war eine gute Werbung. Und von dem Tag an war klar, das ist eine Chance, die es für die Kunst zu nutzen gilt." Ein halbes Jahr später habe es die erste Klage von der CDU gegeben.

Aber auch mit der SPD setzt sich Staeck kritisch auseinander. 1972 sorgte er im Bundestagswahlkampf für Furore mit seinem Plakat mit einer Villa am Berg und der ironischen Parole: "Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen!" Als "Bonner Bildersturm" ging jene Aktion vom 30. März 1976 in die deutsche Geschichte ein, als Unionsabgeordnete, darunter der spätere Bundestagspräsident Philipp Jenninger, im Haus der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Bonn Plakate von den Wänden rissen.

41-mal wurde inzwischen versucht, Plakate und Postkarten juristisch verbieten zu lassen. Wer seine Plakate zur Finanzkrise sieht, die bereits vor sechs, sieben Jahren entstanden sind, wundert sich über seine Weitsicht: "Ich bin kein Hellseher, ich bin ein politischer Beobachter. Das war absehbar."

Der Mauerfall hat ihn dagegen völlig überrascht. "Wer behauptet, er habe das kommen sehen, lügt." Er sei an jenem 9. November 1989 in Leipzig gewesen mit einer Delegation des damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau. "Wir sind dagesessen und haben am Abend Fernsehen geschaut und gedacht, das ist unglaublich."

Der 71-Jährige kann noch immer staunen über sich und die Welt um ihn. Das kommt auch in den bissigen Kommentaren zum wiedervereinigten Deutschland zum Ausdruck. Dass er 2006 zum Präsidenten der einzigen Ost-West-Akademie mit 370 in- und ausländischen Mitgliedern gewählt wurde, hat ihn überrascht. "Was sind das für Zeiten, in denen ein Satiriker zum Präsidenten gewählt wird?" (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD/Printausgabe, 26.9./27.9.2009))

 

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