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vom 01.03.2007 - Seite 024

Das Einzige, was übrig bleibt

Bernd und Hilla Becher. Ein internationaler Begriff in der zeitgenössischen Photographie. Themenkreis seit fünfzig Jahren: Industriearchitektur in Europa und den USA. Jetzt erst hat das deutsche Kunstpaar seine erste Präsentation in Österreich. Und zwar in Linz: Die oö. Landesgalerie zeigt bis 1. Mai die "Zeche Concordia".

VON IRENE JUDMAYER

Welche Stadt wäre in Österreich auch besser geeignet zur Präsentation dieser grandiosen Photokunst, die seit den späten 1950er Jahren Zeugnisse der Industriekultur thematisiert, als Linz mit seiner starken industriellen Verwurzelung und Prägung? Hier - wo am Abend der Blick von Urfahr in den Süden durch den vom Anstich rotglühenden Himmel gebannt wird, wo Stahlgerüste und Hochöfen ein riesiges Areal markieren, wo farbenprächtig korrodierte Industriedenkmäler zunehmend postmodernen Bauten weichen müssen.

Genau das ist die bevorzugte photographische Heimat von Bernd (*1931) und Hilla (*1934) Becher. Die beiden arbeiten dort nach wie vor mit der Analogkamera und konsequent in Schwarz-Weiß. Seit 1959 arbeiten sie zusammen, seit 1961 sind sie verheiratet. Ganze drei Jahre (1967-1970) verbrachten sie in der "Zeche Concordia". Sie dokumentierten Fördertürme, Wassertürme, Kohlebunker, Transformatorenhäuschen, Kühltürme, Hochöfen, Fabrikhallen, Röhren-wege, Aggregate...

Parade der Fachwerkhäuser

Aus unterschiedlichen Blickwinkeln, mit Objektdetails, die auf anderen Bildern wiederzufinden sind. "Das Wiedererkennen ist die einzige Möglichkeit, das alles zu erfassen", sagt Hilla Becher. Durch die intensive Arbeit sei ihnen das mittlerweile zerstörte und durch ein Einkaufszentrum völlig anders definierte Industriegebiet "eine Art von Heimat" geworden.

200 Photos aus dieser Serie sind hier im zweiten Stock der Landesgalerie zu sehen. In Blöcke gegliedert. "Wie Käfer nach Arten", erklärt Hilla Becher, die bekennt, dass bei ihrer manischen Konzentration auf die penible Konservierung dieser Industriedenkmäler die Archivierung des gigantischen Bildmaterials "auf der Strecke geblieben" ist: "Darum müssen wir uns jetzt kümmern."

Bernd Becher ist im Industriegebiet von Siegen geboren und aufgewachsen. In einem der kuriosen Fachwerkhäuser, denen hier bei dieser Ausstellung ein eigener Raum gewidmet ist. Ein Raum, der durch die konzentrierte Anordnung der einzeln photographierten Häuschen eine sehr eigenwillige Struktur und Gliederung erfährt.

Seine Heimatstadt gab Bernd Becher auch den Impuls für die Beschäftigung mit Industrie: "Am Anfang stand das Interesse an der Form", erzählt der Künstler, der die Arbeitsstätten zunächst zeichnete und malte: "Habe mich dann jedoch der reinen Photographie zugewandt, weil sie der Sache der Abbildung adäquater ist."

Diese Form der Abbildung ist als Dokumentation das Einzige, was übrig bleibt. Sie konserviert auch eine Atmosphäre, der man mit Sentimentalität ebenso begegnet wie mit Lust an der strengen Konstruktions-Ästhetik dieser historischen Zweckbauten.

Info: Neben der Becher-Ausstellung, der auch ein eigener Katalog (19 Euro) und ein Kunstvermittlungsprogramm (0732/ 77 44 82-49) gewidmet sind, sind derzeit drei weitere neue Präsentationen in der oö. Landesgalerie zu sehen (Informationen dazu im Kasten rechts).

Alfred Kubin

Mit der Welt größter Kubinsammlung verfügen die oö. Landesmuseen über einen reichen Fundus, der sich thematisch immer wieder neu nutzen lässt. Aktuell zur Ausstellung "Von Häusern, Mühlen und Türmen" (bis 19. 8.), die in Bezug zur Arbeit von Bernd und Hilla Becher steht. Gezeichnete Bauten, die vom Realismus bis zur kruden Phantasie Kubins breites Spektrum abdecken.

"Am Anfang stand das Interesse an der Form. "

BERND BECHER

über seinen Impuls, sich mit Industriearchitektur auseinanderzusetzen.

Neue Wilde

Im Gotischen Zimmer wird bis 9. April "Österreichische Malerei der 1980er Jahre" aus der Kunstsammlung des Linzer Geistlichen und emeritierten Hochschulprofessors Günter Rombold gezeigt, die 2002 als Schenkung an die Landesgalerie ging. "Neue Wilde" wie Anzinger, Bohatsch, Damisch etc. entwickelten damals einen neoexpressiven, figurativen Stil, der sich wieder des klassischen Tafelbildes bediente.

Josef Schwaiger

"Myopic" nennt der 1962 in Linz geborene, in Wien lebende Künstler Josef Schweiger sein Projekt, das im Wappensaal der oö. Landesgalerie bis 9. April zu sehen ist. Klassische Leinwandbilder, deren Farbkonzept und Positionierung auf die Ausstellungsorte Bezug nimmt, deren Linien aufnimmt oder kontrapunktiert. Die eng ineinandergemalten Farbstriche ergeben ein diffuses Leuchten, definieren den Bildträger Leinwand mehr als Raum denn als Farbfläche.

Penible Konservatoren einer längst zerstörten Industriearchitektur: Bernd und Hilla Becher Foto: Herzenberger


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