diepresse.com
zurück | drucken

20.03.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Mumok: 1. Kontakt in der strengen Kammer
VON ALMUTH SPIEGLER
Kunst aus dem Osten. Die im Mumok gezeigte Sammlung der "Erste Bank" will die Kunstgeschichte neu schreiben.

Wie hießen sie doch alle so laut und so bunt - "In search of Bal kania", 2002 von Peter Weibel in der Neuen Galerie Graz ausgerichtet, "Blut und Honig", ein Jahr später von Harald Szeemann in die Sammlung Essl gefüllt. Tolle Überwältigungskonglomerate, von denen nur wenig hängen blieben. "Belgrade Art Inc." in der Secession zog in Österreich dann 2004 einen Strich unter diese Ost-Kunst-Goldgräberstimmung: Anhand nur 15 Positionen wurde eine einzige Stadt genauer unter die Lupe genommen.

"Was ist Kunst?", schallte schon damals, mal fordernd, mal schmeichelnd durch den Wiener Ur-"White Cube". Jetzt ist das Video dieses peinlichen Verhörs, das Rasa Todosijevic 1977 mit einer jungen Frau vornahm, auf Heimo Zobernigs weißen Verbindungs-Quader im Museum moderner Kunst projiziert. Als gar nicht sanfte Einführung in die Präsentation eines zweifachen Neubeginns mit scheinbar uneinlösbarem Anspruch: Markiert "Kontakt" zwar einerseits "nur" den öffentlichen Neustart der Kollektion der "Erste Bank", die zuvor Minimalistisches sammelte und seit 2004 auf Anregung von Mumok-Vize-Direktor Rainer Fuchs und Erste-Bank-Sponsor-Chef Boris Marte eine Jury Werke aus Mittel-, Zentral- und Osteuropa ankaufen lässt, soll mit dieser Aktivität andererseits auch eine bisher vom Westen dominierte Kunstgeschichte Europas, von den 60ern bis heute, relativiert werden. Ländern wie Tschechien oder der Slowakei wird somit Konkurrenz in bisher nicht erbrachter musealer Aufarbeitung gemacht.

Was die Werkauswahl von den bisher 34 vertretenen Künstler allerdings bezweifeln lässt: Denn hier lässt man die in den ehemals kommunistischen Ländern produzierte Kunst großteils so erscheinen, wie man sie sich anhand der wenigen in Bibliotheken vorhandenen billigen Kataloge schon immer hat vorstellen müssen: schwarzweiß. Auch die österreichischen Beispiele bestätigen u. a. mit Fotos von Valie Export und einer unbetitelten Pressspanplatte Zobernigs diese streng formalistische Linie.

Aber Stopp. Das hier ist erst der Anfang. Die Sammlung soll breiter werden, wird einem versichert. Und hat man diese kuratorische Dominanz erst einmal akzeptiert, die Idee einer Existenz von Malerei sowie die durchaus nicht unfarbigen Eindrücke der letzten Prag-Biennalen kurzzeitig verdrängt, ist neben Altbekannten wie Performance-Star Marina Abramovic und dem slowenischen Kollektiv IRWIN Erstaunliches zu entdecken, Sperriges, das in einer ausladenderen Schau wohl untergegangen wäre:

Sanja Ivekovics "Schwarzbuch" etwa, in der die Grande Dame der Zagreber Kunstszene Vermisstenanzeigen und Sex-Inserate kommentarlos nebeneinander reiht. Jiri Kovanda, der in den 70er Jahren simple subversive Irritationen wie auf einer Rolltreppe stehen, sich umdrehen und jemandem lange in die Augen sehen dokumentarisch festhielt. Oder Ion Grigorescus investigativ-ironische Fotodoku einer 1975 in Bukarest inszenierten, von der Geheimpolizei überwachten Wahlveranstaltung für Ceausescu.

Im zweiten Teil von "Kontakt", in einer seit längerem von der "Erste Bank" gesponserten Off-"Kunsthalle" in Bratislava, sind dann Arbeiten Jüngerer zu sehen, vom Geist her ähnlich wie in Wien, nur etwas poetischer, folgt man etwa Jan Mancuskas Schriftband durch den Raum. Und, ja, lustiger, wenn Carola Dertnig etwa mit ihrem Trolley nicht durch die Drehtür des World Trade Centers kommt (2001 wohlgemerkt). Oder Cezary Bodzianowski Passanten bittet, ihn in Paris vor dem Eiffelturm zu fotografieren. Mit einer Lego-Kamera.

© diepresse.com | Wien