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Quer durch Galerien

Man bohrt im Es wie in der Nase

Von Claudia Aigner

300 Jahre Wiener Zeitung!Er ist Seelentröster, Vertrauter, Liebesobjekt und treuer Weggefährte beim Einschlafen. Der Daumen? Nein. Der Teddybär. Obwohl natürlich auch der Daumen, der Intimus der Wonnesauger, deutliche Spuren des Geliebtwerdens aufweisen kann. Eine ausgelaugte, aufgeweichte Fingerkuppe zum Beispiel, wenn man sich wieder einmal weltvergessen in den Schlaf nuckelt oder wenn man mit dem Daumen ein schmatzendes und saugendes, vertrauliches "Gespräch" führt. Wenn der Daumen, dieses natürliche Schlaf- und Beruhigungsmittel, einem also mundet. (Ich meine selbstverständlich: Wenn er denen aus dem Daumenlutschermilieu schmeckt, die ja in der Regel noch in den Windeln liegen, weil sie noch nicht stubenrein sind.)

Galerie Steinek: Die Kindheit ist eindeutig ein Mäderl

Genau dorthin entführt uns Gudrun Kampl (bis 4. Juni bei Steinek, Himmelpfortgasse 22), in die Fauna des Kinderzimmers und in die frühe Kindheit, die hier voller Rosarot, ergo ein Mäderl ist (weil der große kleine Unterschied auf der Welt der ist, ob man blau oder rosa ist). Kokett der Ausstellungstitel: "Sag Baby zu mir." Selig sind, die jetzt nicht den DJ Ötzi in ihren Köpfen losgrölen hören müssen: "Hey Beibä . . . uh, ah!", aufgrund einer hundsgemein ausdauernden Gehirnwäsche durch die Plattenindustrie (oder weil die Kinder in der Wohnung unter ihnen eine kleine, patriotische, monomane Karaokeanlage besitzen, die nur den DJ Ötzi kennt. "Uh" und "ah" gehören übrigens nicht zum Babyidiom, sondern zum Urschreiidiom).
Aber kann es wirklich sein, dass alle Kinder eine Phase haben, wo sie eine sexuelle Beziehung zu ihrem Teddybären haben? Das sagt nicht der Onkel Freud, das sagt ein Gerücht, das in der Galerie umgeht. Gut, die frühkindliche Sexualität mag "polymorph pervers" sein (das war jetzt der Sigi). Aber Plüschtiersodomie? Ob es deshalb die Gummibärchen gibt, mit denen wir den Wunsch nach Einverleibung unserer Teddys, die wir halt nun mal zum Fressen gern haben, auf gesellschaftlich, freilich nicht dentistisch vertretbare Weise sublimieren können, womöglich weit über das orale Saug- und Beißstadium hinaus? Wie auch immer, wir wollen nicht länger im Freud und im Es bohren wie in der Nase.
Nur so viel: Drei Teddybärinnen von der Kampl (aus "sündig" schwarzem Kunstleder) eignen sich dermaßen zum Doktorspielen, dass sogar die Damenwelt der Vaginalneid frisst, hat jede doch mindestens zwei zartpinke "Bohrlöcher" für das bohrende Interesse des Zeigefingers. An den unmöglichsten Stellen (im Ohr, in der Ferse, im Bauch etc.). Bei Inanspruchnahme kommt man sich so richtig unanständig vor, richtig gynäkologisch. Da die Teddys aber die Größe eines Menschenbabys von elf Monaten haben, liegt der Verdacht nahe,
dass es sich um "Babydummys" handelt, was die Sache ziemlich ungut macht, nämlich geradezu pädophil. Die Schattenseite der "heilen" Kinderwelt: den bösen "Onkeln" und "Tanten" ausgeliefert zu sein.
Wieso aber sind ausgerechnet die zweideutig obszönen Bärinnen in die Privatsphäre der Galerie wegversteckt? Der eigentlichen Schau fehlt so der gewohnte Biss und Hintersinn. Die unschuldigen Samtbärlis dort, die auf der Schaukel oder anderswo sitzen, und die riesigen Samtbälle sehen aus wie der Spieltrieb in harmlosester Person. Die Ausnahme ist vielleicht der "zärtlich" rosarote Käfig (zwischen Fürsorge und Freiheitsberaubung), in dem wohl die neu zu domestizierenden Erdenbürger in Schutzhaft genommen werden können wie im Gitterbett und der Gehschule.
Die kampltypischen, weich gepolsterten Samtherzen und -nieren, ihre Kuschelorgane (ein anatomischer "Streichelzoo"), die wie Arabesken an der Wand hängen, sind auch noch da. In altbewährter kitschiger Sinnlichkeit. Mit den Innereien schmust also nicht nur der Nitsch. Doch was ist ihr da nur bei jenen zwei lieblos flachen, runden Frotteekissen eingefallen, die hinter Gittern sind? Ein symbolisch abstraktes Bild? Die Vertreibung aus dem Stillparadies, wo Milch und Milch (nämlich rechts und links) fließen? Wir, die wir abgestillt sind und nicht mehr hindürfen, finden aber ohnedies Trost beim Punschkrapferl, in dem wir, wegen der kaum verhüllten formalen Ähnlichkeit, die nahrhafte Mutterbrust fressküssend anbeten.

Fotogalerie: Die Welt ist ein globales Wohnzimmer

Sein pflegeleichter Kunststoffboden ist ein Zeitzeuge. Nicht, weil George Bush oder Vera Russwurm oder die Weltgeschichte höchstpersönlich darübergeschritten wären, sondern weil auch der Fernseher ein Zeitzeuge ist. Klaus Pamminger (bis
9. Juni in der Fotogalerie, Währinger Straße 59) bereitet die Bilder aus den Fernsehnachrichten ornamental verklärend auf und überzieht praktisch das ganze Privatleben (bzw. eine Wohnzimmerinstallation) mit den unbarmherzig dekorativen Tapetenmustern. Bis hin zum Feuerzeug, das ja in symbiotischer Beziehung zur "Giftgas" erzeugenden Zigarette steht und hier sinnigerweise in ein Gasmaskenmuster gehüllt ist.
Sein Bodenbelag: eine bukolische Idylle? Nein, eigentlich sind die "weidenden Schafe" ein Putztrupp in weißen Overalls, die den katastrophalen Bodenbelag namens "Öl aus der ,Prestige'" von der Atlantikküste kratzen. Und auf dem Teppich ziehen die weltweiten Amerikaner in den Irak-Krieg, nur beobachtet von den lethargischen Socken Pammingers vor dem Bildschirm. Die Bosheit liegt in der unwiderstehlichen Schönheit der Muster. Die Welt ist ein globales Wohnzimmer.
Franz Bergmüllers rege Fotoobjekte brummen und tosen daneben, machen einen Mordskrach. Motorenlärm. Furchteinflößend oral: Auf Knopfdruck vibriert eine echte Zigarette in einem Fotogesicht. Oder ein Fauteuil macht eine phallische Drohgebärde: Eine Feder räkelt sich da hypnotisch. Gesellschaftliche Zwangshandlungen? Zwangsneurotische Monotonien? Wurscht. Die Objekte fördern meine Lust, kindisch zu sein. Das genügt mir, ehrlich gesagt. Arnis Balcus' Fotos über seine Zwischenmenschlichkeit in der Bettwäsche sind mir aber zu "schnappschüssig" und verblitzt.

Galerie Sur: Empfängnisverhütung mit dem Staubsauger

Was haben die Nazis mit Palmen zu schaffen? Sie selber nicht viel. Aber ihr Hitlergruß. Und der auch nur, weil das englische "Palms" sowohl Palmen als auch Handflächen meint. Conny Kunert (bis 3. Juni bei Sur, Seilerstätte 7) fügt gefundene Bilder und Texte (etwa eine Palmenferienidylle und eine hitlerfürchtige Masse) zu irritierend abrupten, gefühlsintensiven Kombinationen zusammen, zu einer spannend frei assoziierten Bildwelt.
Wenn man einem Staubsauger den Schlauch abzieht, dann ist das Empfängnisverhütung oder - Geschlechtsumwandlung. "Dann wäre ich genauso frei wie du", heißt es zur Zeichnung aus der Bedienungsanleitung, wo gerade dem klassischen Hausfrauendomestizierungsgerät der Saugrüssel "abgewürgt" wird. Oder emanzipiert sich da jemand vom Haushalt? Oder wird der Schlauch gar angesteckt und haut mein ganzes Gedankengebäude z'amm?

Erschienen am: 28.05.2004

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