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In Bed With Julius

Aufzählung (cai) Ein Banker (sprich: Bänka) ist einer, der chronisch auf einem Bankerl herumlungert, oder? Nein. Trotzdem hat der Julius Deutschbauer ausgerechnet auf einer Parkbank eine Art Sitzstreik veranstaltet, um einen Ex-Banker, der grad woanders "sitzt", freizupressen. Und wohl damit er auf der Bank nicht ausharren muss, bis sein Hintern ins Koma fällt, hat er von der Szene Plakate gedruckt, die den Kampf ja nun bei Wind und Wetter fortsetzen können: "Freiheit für Elsner!" Seine Kunst (Plakate und Aktionen zwischen plumper Provokation und naiver Respekt- und Geschmacklosigkeit sowie schlichte, sehr schlichte Malerei) kann man vermutlich keinem Ismus zuordnen.

Nicht einmal dem Alkohol ismus, auch wenn Deutschbauers Muse die kühle Blondine sein dürfte, die, wenn man sie schüttelt, schäumt. Vor Wut? Nein, vor lauter Kohlensäure. Dauernd leert er demonstrativ Bierdosen. Oder trinkt einmal resignativ Sekt. Im verwüsteten Atelier. Lässt die leeren Flaschen vor diesem tragischen Selbstporträt herumbaumeln: "Alles minus 72,5 %." Klingt nach einem Totalabverkauf des Œuvres eines gescheiterten Künstlers. Und drei Jahre nach der Trennung von seinem Lebenswerksabschnittspartner Gerhard Spring (die waren immerhin wie Robinson Crusoe und Freitag) hat sein Single-Kult eine neue Dimension erreicht. Zuerst zwängt er sich mit dem kompletten Ensemble vom "Theater des Verhinderns" in ein Bett, und wenn er das dann malt, schmeißt er vorher alle außer sich selber aus dem Bild raus . Die Leere um ihn herum gähnt so deprimierend, fast möchte ich ihm eine Kontaktanzeige sponsern.

Galerie Steinek
Eschenbachgasse 4, 1010 Wien
Julius Deutschbauer: Alles nur Theater,
bis 23. April
Di. – Fr.: 13 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Kunst ist brennbar

Aufzählung (cai) Die Kunst bringt nicht der Storch . Nein, man findet sie zufällig auf dem Dachboden. Manchmal. Banausen, die den kleinen Unterschied zwischen Brennholz und Kunst nicht gekannt haben und bloß stur den Dachstuhl erneuern wollten (vom Haus in der Bäckerstraße, wo die Galerie Winter früher gewesen ist), wollten einmal einen echten Nonas wegschmeißen. Doch der Hubert Winter hat ihn gerettet, noch bevor der Nonas selber auch nur geahnt hat, dass das bald ein Werk von ihm sein würde. Richard Nonas verwandelt nämlich gebrauchtes Holz in markante, rohe Objekte. Die klobigen Balken vom Dach sind jetzt eben imposant primitive Stapel. Quasi noch unangezündete Lagerfeuer eines ordnungsliebenden Minimalisten. Und ein paar Zeugnisse seiner fast zwangsneurotischen Perfektionismusverweigerung (Kleinigkeiten, von denen jede wie ein Apropos, wie ein Übrigens an der Wand pickt) sind geradezu mathematisch präzis im Raum platziert. Oh, lustvolle Ambivalenz!

Galerie Hubert Winter
Breite Gasse 17, 1070 Wien
Richard Nonas,
bis 24. April
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 14 Uhr

Muttersprache: Kindisch

Aufzählung (cai) Aha, da bemüht sich also eine Erwachsene, die ungeübte Kinderhand zu imitieren, die von der hohen Ästhetik noch unverdorben ist. Zeichnet mit krampfhafter Naivität exotische Kulturen. Und die Farben sind ungeniert optimistisch, selbst wenn ein Haus brennt. Aber bald merkt man: Das ist ja doch komplexer (nicht nur technisch wie bei den "Fotozeichnungen", wo Fotografie und Grafik verschmelzen). Und Rebecca Raues Kompositionen sind eh nicht unschuldig, sondern reif. Das Pathos der eingefügten Texte kann freilich peinlich werden. Wenn sich Edelwörter wie "Liebe" oder "Mut" penetrant wiederholen.

Galerie Heike Curtze
Seilerstätte 15/16, 1010 Wien
Rebecca Raue: Heimat und Weite,
bis 10. April
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 12 – 16 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 07. April 2010
Online seit: Dienstag, 06. April 2010 16:19:00

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