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Rundgang: Wiener Künstler an ihren Lieblingsplätzen

03.03.2010 | 19:00 | von Johanna Hofleitner (Die Presse - Schaufenster)

Der Überblick der Kunsthalle, "Lebt und arbeitet in Wien", stellt das Schaffen der Wiener Szene nun zum dritten Mal vor. Das "Schaufenster" hat vier Künstler zu ihren Wiener Lieblingsplätzen begleitet.

Tomak - Schönbrunn

Schönbrunn im Gatsch hat sich der Zeichner, Maler und Videokünstler ausgesucht. Das passt zu ihm, da fühlt er sich wohl – nicht nur, weil der Schlosspark in der Nähe seines Ateliers ist. Einmal in der Woche findet Tomak die Zeit, dort spazierenzugehen – mehr schafft er momentan nicht, die Vorbereitungen für mehrere Ausstellungen lassen es nicht zu. Dazu kommen die Proben für seine Performance am 9. 3. im Project Space.

Das Rohe, Wilde, Ungeformte einerseits und das Schöne, Feine, Elegante andererseits – mit diesen beiden konträren Eigenschaften lässt sich das wuchernde Schaffen des ehemaligen Attersee-Schülers gut fassen. Mit Texten versehene Zeichnungen stehen dabei im Mittelpunkt, aber auch Malerei, Video und Performance sind für Tomak wichtig. Immer wieder pendelt der Arbeitsprozess zwischen verschiedenen Stadien und Zuständen, eines wird zur Grundlage des anderen – die Performance im Project Space etwa geht aus von den Zeichnungen, die Zeichnungen wiederum zitieren meist aus dem Bereich der Wissenschaft stammende Texte. „Was ich zeichne, habe ich im Kopf. Es macht mir einen Riesenspaß, das in ein anderes Medium – etwa ins Körperliche der Performance umzusetzen“, sagt er. Überhaupt legt er Wert darauf, dass beim Arbeiten der Kopf zum Einsatz kommt. Deshalb führt er auch, wenn man ihn nach Vorbildern fragt, Figuren wie Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm an: „Das sind die schlauen Köpfe, die Gescheiten – eine Spezies, die in Österreich fehlt. Nur mit den Eiern zu malen – das ist mir zu wenig.“

Svenja Deininger - Bar/Galerie Coco

„Rot ist eine Farbe, die ich in meinen Bildern selten verwende“, sagt Svenja Deininger, die als aktuelle Lieblingslocation das „Coco“ am Bauernmarkt, Wiens derzeit angesagtesten Offspace, anführt. Und tatsächlich sind ihre geometrisch-flächigen Bilder eher im gedämpften Farbraum angesiedelt – im Bereich von Braun, Schwarz, Blau, Grau. Wenngleich die 36-jährige gebürtige Wienerin, die ihr Kunststudium in Münster und Düsseldorf absolviert hat, damit an die Tradition der Abstraktion vom Bauhaus bis zum Neo-Geo anzuschließen scheint, schlägt immer auch ein Quäntchen Realitätsbezug durch.

„Die Farbigkeit meiner Bilder ist stets auch ein Zitat von Stofflichkeit“, sagt sie. „Wie in der Wirklichkeit, in der uns selten starke reine Farben begegnen, verwende ich in meinen Bildern niemals reine Farben – sogar Schwarz ist bei mir immer ein Gemisch aus Braun, Lila, Grau. Verschiedene Arten von Weiß gibt es nur, weil ich die Grundierung stehen lasse. Die einzige Ausnahme ist Blau, es funktioniert in seiner Reinheit wie ein Störfaktor.“ Die Uneinigkeit ist denn auch ein Leitprinzip ihrer Malerei. Die zunehmend kleinformatigen Bilder zeigen zugleich Muster und Räume, Farben referieren gleichermaßen über Reinheit und Unreinheit. Räumlichkeit ist sowohl eine durch die Farbigkeit erzeugte Illusion als auch Resultat unterschiedlicher Oberflächenstrukturen. In der Kunsthalle setzt Svenja Deininger nun noch eines drauf und arrangiert ihre Bilder im Ensemble mit beidseitig bemalten Papierbahnen als Installation, die ihrerseits einen Raum im Raum erzeugt.

 

Maria Bußmann - Schutzhaus zur Zukunft

Warum Maria Bußmann just das „Schutzhaus auf der Schmelz“ zum Lieblingsort auserkoren hat? „Ich finde es skurril, dass es mitten in der Stadt eine Gastwirtschaft gibt, die den Eindruck vermittelt, man wäre mitten im Wiener Wald“, sagt sie. Immer wieder zieht es die gebürtige Würzburgerin hierher. Der Ort war zudem einer der ersten, an den es sie verschlug, als sie vor über 20 Jahren der Kunst und Philosophie wegen nach Wien gekommen war. „Ich hatte damals auf der Schmelz einen Kurs in Florettfechten belegt“, erinnert sie sich amüsiert.

Fürs Fechten hat Bußmann, die heute zwischen Wien und New York pendelt, längst keine Zeit mehr. Doch der Hang zum Feinen und Gediegenen ist ihr bis heute
eigen. Sie hat ihn in der Kunst sublimiert und die Philosophie dabei mitgenommen. Unverwechselbar ist ihre mit einem feinen Sinn für Humor und Intellekt gepaarte Zeichensprache, mit der sie so spielerisch wie systematisch Werke der Philosophie und Weltliteratur kommentiert. Das Experiment mit dem Material stellt für sie dabei eine zusätzliche Herausforderung dar. Da kann dann durchaus ein Bogen Schwarzpapier, als wär er eine Schiefertafel, mit Weißstift bearbeitet werden. Oder ein schier endlos langer Kassenblock wie eine chinesische Rollenzeichnung interpretiert werden. In ihrem Ausstellungsbeitrag „Zur Ethik Spinozas“ – einer Affektenlehre über Leidenschaft und Nichtleidenschaft in 52 schautafelähnlichen Zeichnungen – hat Bußmann das Spiel auf die Farbe ausgeweitet und aus jedem einzelnen der bunt kolorierten Blätter die Farbe Gelb verbannt.

Bernhard Cella - Kunstbar Ve.sch

China, Frankreich, Holland, Deutschland. Fast schwindelerregend, wie Bernhard Cella, der sich fürs Foto die Kunstbar „Ve.sch“ ausgesucht hat, einen Auslandsaufenthalt nach dem anderen aufzählt. Doch Cella ist ein Umtriebiger und neugierig obendrein. Schon während des Bühnenbildstudiums hat er der Wiener Akademie den Rücken gekehrt, um sich fortan lieber in Hamburg mit Konzeptkunst zu befassen, da ihn schon damals Schrift, Sprache und das Buch als künstlerische Ausdrucksformen mehr interessiert haben. Vor einem Jahr ist er dann nach China gegangen, ohne ein Wort Chinesisch zu sprechen, und fand sich mit der Situation konfrontiert, dass die Chinesen kaum Englisch konnten. „Ich habe dann“, sagt er, „über die Kunst Kommunikation herzustellen versucht.“

Über die Kunst Kommunikation herzustellen, ist auch der Motor für Cellas bislang größte und wichtigste Arbeit, den 2007 von ihm eröffneten „Salon für Kunstbuch“ im siebten Bezirk, der mittlerweile – ganz wie es sich für eine „soziale Plastik“ gehört – von verschiedensten Gruppen, Kunststudenten ebenso wie Bücherratten, frequentiert wird. „Der Salon für Kunstbuch ist ein Hybrid zwischen Buchhandlung und Ausstellungsraum – und zugleich eine Bühne, ein Labor, ein erweitertes Atelier“, beschreibt Cella das diskursive Konzept. „Es ist der Versuch, ein Unternehmen als Kunstwerk zu konzipieren.“ Für „Lebt und arbeitet in Wien“ hat Cella den Raum nun symbolisch in die Kunsthalle transferiert – in Gestalt von sechs wandfüllenden Hightech-Gobelins, die das soziale Modell des Salons zitieren.


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