text breit  text schmal  
drucken 
Bilder keine Bilder

derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
25. September 2009
18:48 MESZ

Provokanter Vintagestyle: "Sitzende mit Hut" (3800 Euro) von Tomi Ungerer - als Illustrator Messedebütant bei Galerie Springmann.
Der Prototyp einer modernen Kunstmonografie erfährt sein demokratisiertes, leistbares Revival.


Wollust in der Albertina
Gelungenes Debüt: Bis inklusive 27. September lockt die Art Albertina mit exzellenter Qualität und vielseitigem Angebot

Seine Favoriten hatte der Hausherr schnell ausgemacht: Aus den von 27 Galerien und Kunsthändlern seit Mitte dieser Woche in der Propter-Homines-Halle zum Verkauf feilgebotenen Kunstschätze wählte er spontan einen frühen František Kupka (Galerie Berès, Paris) und einen Georges Rouault (Galerie Michael Haas, Berlin). In Ermangelung des entsprechenden Budgets muss es für Klaus-Albrecht Schröder freilich ein hypothetischer Ankauf bleiben, allein für diese beiden Werke bräuchte er 368.000 Euro.

Aus der Sicht der Teilnehmer der ersten jemals in Österreich stattfindenden und ausschließlich auf Papierarbeiten fokussierten Kunstmesse könnte der Etat auch gut und gerne ein Vielfaches betragen: um etwa eine aus dem jeweiligen Angebot und damit repräsentativ für deren Vielseitigkeit stehende Art-Albertina-Collection zu kuratieren. Allen voran stünde die Wahl von Manfred Lang (Wien), eine Zeichnung von Jürgen Messensee von 1985 (3.300), exakt dieses Blatt war der Anlass für das Konzept und die Umsetzung des neuen Messeformats.

Nur auf den ersten Blick wäre die Auslese jener Aussteller, die One-Man-Shows präsentieren, eine leichte Übung: Wolfgang Henze (Henze & Ketterer, Bern) sinniert, die Albertina hält ein Kirchner-Blumenstück im Bestand, also bräuchte sie Repräsentatives. Eine Badeszene oder ein Porträt, letztlich wird es die Zeichnung einer großen Sitzenden von 1912 (34.000). Im Tomak-Kabinett von Heike Curtze (Wien, Berlin) muss die Quintessenz aus dem 23-teiligen Alphabet-Zyklus (87.400) gefunden werden, es sei G - Gesamtkunst - Gesamtmensch - Goethe (3800). Bei Thoman (Innsbruck) hätte Schröder vor den Monotypien Herbert Brandls (je 4400 Euro) im übertragenen Sinne schon den Kniefall absolviert, für sein Glück bräuchte es den 16-teiligen Landschaftszyklus (70.400). Bei Altnöder (Salzburg) ist die Entscheidung schnell getroffen, keine andere als das erste kubineske Blatt, Das Unheil (55.000).

Kurzes Zögern bei Galerie St. Gertrude (Hamburg): Eine Theorie Nebel (48.000), eine Hommage, 1982 hatte die Albertina Janssen als erstem lebendem Künstler überhaupt eine Großausstellung gewidmet. Gustav Klimts Wollust (180.000), eine der Studien zum Beethovenfries? Nein, Sylvia Kovacek (Wien) entscheidet sich für eine Venedig-Ansicht von Johann Kniep (55.000). Der Delacroix ist verkauft, das Magritte-Porträt ebenso, nun, dann empfiehlt Jörg Schumacher (Frankfurt) das Altfrauenhaus, ein Aquarell von Max Liebermann (78.000).

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit könnte die Sammlung erweitert werden: um George Grosz' Abend (110.000, Wienerroither & Kohlbacher, Wien), Oskar Kokoschkas Porträt Lotte Franzos (110.000, Galerie Ruberl, Wien), Adolf Wölfls Rose von Goertze (96.000, Galerie Brockstedt, Berlin), Salomon Kleiners Aschach in OÖ (45.000, Christian Nebehay, Wien), ein Selbstporträt von Werner Tübke (3000, Galerie Schwind, Frankfurt/Leipzig), eine neue Arbeit von Georg Baselitz (35.000, Galerie Ropac, Paris), Tomi Ungerers Apokalyptischer Reiter (12.600, Galerie Springmann, Freiburg) oder sechs Relikte aus der 16. Nitsch-Aktion (500.000, Galerie Konzett, Wien). Insgesamt bräuchte Schröder für diese Art-Albertina-Collection bis spätestens Sonntagabend ein Budget von zwei Millionen Euro. (Olga Kronsteine, DER STANDARD/Printausgabe 26.9./27.9.2009)

 

Diesen Artikel auf http://derstandard.at lesen.

© 2009 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.