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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
06. Mai 2007
16:08 MESZ
Skepsis über Folgen der 1968er-Bewegung
Tagung der Berliner Akademie - Präsident Staeck: Interessiert die junge Künstlergeneration überhaupt noch, was 1968 war?

Berlin - Unter Künstlern macht sich Skepsis darüber breit, ob die Jugendrevolte von 1968 in Europa im Verhältnis von Kunst und Gesellschaft wirklich viel verändert hat. Die Frage stand am Wochenende im Mittelpunkt der Frühjahrstagung der Berliner Akademie der Künste im Hinblick auf den 2008 bevorstehenden 40. Jahrestag der Studentenrebellion in Europa und der Niederschlagung des "Prager Frühlings".

Die Künstler wehren sich gegen einen "nostalgischen Rückblick voller Anekdoten" und wollen vielmehr der Frage nachgehen, was die "68er Bewegung" den Künsten eigentlich gebracht habe. Und umgekehrt sei auch zu hinterfragen, was die Künstler beigetragen oder ob sie bei den gesellschaftlichen Umwälzungen doch eher abseits gestanden haben. "Das sind auch Fragen, die sich eine Akademie der Künste mit 370 in- und ausländischen Mitgliedern auch 40 Jahre danach zu stellen hat", betonte ihr Präsident, der 69-jährige Heidelberger Plakatkünstler Klaus Staeck.

So habe die Akademie erst unlängst in öffentlichen Veranstaltungen, "anlässlich der Irrungen und Wirrungen um Peter Handkes zweifelhaftes politisches Engagement in Sachen Jugoslawien", nach der Rolle des "öffentlichen Künstlers" gefragt. Dabei gehe es immer wieder um die Frage: "Interessiert uns nur das Werk eines Künstlers oder auch seine staatsbürgerlichen Einlassungen?" Auch will die Akademie, wie auf der Frühjahrstagung deutlich wurde, der "ästhetischen Bildung" an den Hochschulen wie auch in den Medien eine größere Aufmerksamkeit widmen.

"Was haben die damaligen Umbrüche und Aufbrüche wirklich bewirkt? Welche Fragen haben wir zum Beispiel an eine Gesellschaft zu stellen, die zunehmend Tagelöhner produziert, in der der Staat die Armut organisiert und den Reichtum vagabundieren lässt?", sagte der Schriftsteller Volker Braun. Der frühere DDR-Autor erinnerte daran, dass es beim Thema 1968 nicht nur um die Ereignisse in Paris oder Berlin gehe, sondern auch um die Niederschlagung des "Prager Frühlings" und die damit zusammenhängende "Zerstörung vieler Illusionen".

Für Staeck geht es nach wie vor um die Wechselwirkung von Kunst und Gesellschaft oder Kunst und Politik. Deutlich wurde in der Akademie-Diskussion auch eine gewisse Skepsis darüber, ob man mit dem Thema an einer jungen Künstlergeneration vielleicht vorbeirede. "Interessiert die überhaupt noch, was 1968 war?"

In einem Rückblick auf sein erstes Amtsjahr als Nachfolger des zurückgetretenen Akademie-Präsidenten Adolf Muschg sagte Staeck: "Ich habe mehr oder weniger freudig die neue Rolle angenommen. Wir alle haben die Chance der Krise genutzt. Ich warne aber vor einem einschläfernden "Weiter so!"." Zur Übernahme der Akademie durch den Bund meinte er, die künstlerische Autonomie der Künstlersozietät stehe nicht zur Diskussion. "Wir lassen uns da von niemanden hineinreden oder in Frage stellen, und einen Quotendruck für unsere Veranstaltungen gibt es auch nicht." (APA/dpa)


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