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14.11.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
Warum Chagalls grüne Kuh blass wird | ||
VON ALMUTH SPIEGLER | ||
Ausstellung. Das BA-CA Kunstforum zeigt mit "Chagall: Meisterwerke 1908-1922" die frühen Jahre des Malers. | ||
D
Hier, in den Bildern der Jahre von 1908 - als
Chagall in St. Petersburg noch die Kunstschulbank drückte - bis 1922 -
als er Russland zum zweiten Mal Richtung Paris verlässt - findet sich
alles schon ziemlich ausgereift, was man aus der späteren
Verkitschmarktung des Präsurrealisten zur Genüge zu kennen glaubt: die
lustigen grünen Kühe, die fidelen Fiedler, die märchenhaft durch die
Luft schwirrenden Gestalten.
Doch Frühwerk ist Frühwerk und hegt seinen eigenen
mythischen Ursprungszauber. Auch wenn sicher nicht alle der 100 Gemälde
und Zeichnungen, die das Kuratorinnen-Trio Evelyn Benesch, Ingried
Brugger und Heike Eipeldauer vor allem aus den beiden wichtigen
russischen Sammlungen der Tretjakoff Galerie Moskau und des Staatlichen
Museums St. Petersburg zusammengetragen hat, Meisterwerke sind, wie der
Titel verspricht. Auch ein Chagall ist eben nicht als Genie geboren
worden.
Doch dann hieß es recht rasch raus aus dem
Mittelmaß. Und wie so oft um 1900 war es der Avantgarde-Druckkochtopf
Paris, der seine Wirkung nicht verfehlte. Hier schloss der Sohn einer
armen chassidischen Großfamilie aus dem weißrussischen Wizebsk
Freundschaft mit dem Dichter Apollinaire, der Chagalls nostalgische
Erinnerungsbilder an sein jüdisches Schtetl "surnaturel" nannte - noch
bevor er 1917 die Surrealisten ganz ähnlich betitelte. Chagall lernte
van Goghs intensive Farbigkeit, den Kubismus sowie die übermächtige
Stellung des Alphatierchens Picasso kennen, dem er, als einer unter
mehreren ewigen Zweiten der Kunstgeschichte, wenig Achtung
entgegenzubringen vermochte. Bezeichnend ist da die Differenz zwischen
dem Titel der Zeichnung "In Gedanken an Picasso" und der tatsächlichen
Inschrift, die von ganz und gar nicht freundlichen Gedanken an den
Kollegen zeugt.
Und auch mit einem zweiten großen Mann der
Kunstgeschichte hat sich der stilistisch zwar alles aufsaugende,
motivisch aber meist der Vergangenheit verhaftete Chagall zerworfen,
als er 1914 nach einem Aufenthalt in Russland nicht mehr nach Paris
zurück konnte - und sich der Revolution verschrieb: Im Disput über das
revolutionäre "Schwarze Quadrat" des mächtigen Bolschewisten Kasimir
Malewitsch zerbrach nicht nur eine einstige Freundschaft, sondern wohl
auch Chagalls Karriere in seiner Heimat. 1922 kehrt er nach Paris
zurück.
Zuvor aber hinterließ er dem neuen Jüdischen
Kammertheater in Moskau eine wunderbare malerische Ausstattung, die,
danach lange verschollen, jetzt im Zentrum dieser Wiener Ausstellung
steht. Schön zu sehen ist hier Chagalls wütende Abneigung gegen
jeglichen Realismus auf der Bühne: Zur Bühne hin wird sein monumentales
"Einführungs"-Bild (siehe Abbildung) immer blasser. Alles, was sich auf
der Bühne abspielt, ist eben nur Abbild, nicht Wirklichkeit. Da muss
selbst die grüne Kuh ihre Farbe lassen. Bis 18. 2., täglich 10-19
Uhr, Freitag bis 21 Uhr. Eintritt: 8,70 Euro.
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