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18.04.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Hilger Contemporary: Fiktion - Christine König: Realität

kunstraum

Wer sich seine eigene Insel nicht leisten kann, muss sie eben imaginieren. Der Schweizer Markus Wetzel (*1963) versteht es, ein solches Ideengehäuse effektvoll umzusetzen: Gleich eingangs lässt er ein inselartiges Gebilde aus dem Boden schießen, dann in großdimensionierten Computerprints (8.000 €) Adler über die Meeresströmung fliegen und Wölfe auf dem Eiland stranden. Wer es mit sagenumwobenem Getier nicht so hat, kann sich auch in ein Internetprojekt des Künstlers einloggen. Denn Wetzel entwickelt seine Inseln wie ein Architekt, der auf die Wünsche seiner Bauherren eingeht. (Bis 29.4., Dorotheergasse 5, Wien 1)

Christine König: Realität

Seine ersten keramischen, bunt lackierten Arbeiten schuf Thomas Stimm (*1948 in Wien) 1980: Sie galten, meist in Vogelperspektive und im Puppenstubenformat, Alltagsszenen oder ganz allgemein dem Thema Landschaft. Später begann er sich vor allem mit der heimischen Flora zu beschäftigen. Liebevoll lässt er seither Kleines, kaum Beachtetes mächtig aufragen: Löwenzahn, Gänseblümchen, Himbeeren oder einfach nur Gras - Stimm verhilft all dem zu einem theatralischen Auftritt. Er weiß unsere Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten durch die Monumentalität der Pflanzenwelt zu irritieren: Hier ist nicht mehr der Mensch das Maß aller Dinge. War sein bisheriges Schaffen für den Innenraum bestimmt, so zeigt Stimm nun in seiner aktuellen Schau, dass er es versteht, die Natur auch in ebendiese zu verpflanzen. Seine neuen Objekte sind aus witterungsbeständigem Polyurethan gefertigt, somit auch für den Außenraum tauglich (1.100 € bis 18.000 €). Der eigenwillige Realismus und die fast naive Weltzugewandtheit, die sein Schaffen prägt, ist enorm erfrischend. Seine Plastiken genügen sich in der Wiedergabe von Beiläufigkeit und schlichtweg Gegebenem.

"Hierhin und dorthin" nennt Uta Weber (*1966 in Leverkusen) ihre Präsentation im dritten Raum der Galerie. Thema ihres jüngsten Schaffens ist das Reisen. In Ölkreide und Farbstiftzeichnungen auf Karton hat sie Transitsituationen festgehalten (1300 € bis 1700 €). Durch das Guckloch im Flugzeug festgehaltene Ausblicke werden zu abstrakt grafischen Mustern, der Highway aus der Perspektive hinter der Windschutzscheibe mag an so manches Roadmovie erinnern. Hier eine Lounge im Flughafengebäude, dort ein Rastplatz neben der Autobahn. Weber bannt Ereignisse, die wir für gewöhnlich flüchtig wahrnehmen, in eine seltsam entleerte Zeitlosigkeit. (Bis 6.5., Schleifmühlgasse 1A, Wien 4)

Manisha Jothady

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