Mary Ellen Marks Blick auf die Welt

Die Arbeiten der amerikanische Fotoessayistin stehen in der Tradition einer sozialkritischen Dokumentar-
fotografie.


Die amerikanische Künstlerin Mary Ellen Mark versteht sich nicht als Fotojournalistin. Dennoch haben ihre Arbeiten jenen dokumentarischen Blick der den entscheidenden Moment - "The Decisive Moment", wie Cartier-Bresson sein Buch nannte - enthält.

Porträts

Es sind oft melancholische Sujets die Mary Ellen Mark fotografiert. Vornehmlich sind es Menschen am Rande der Gesellschaft: Schwarze in einem schäbigen Nachtklub, ein älteres Paar in einer Bar und Kinder deren Kindheit schon längst den sozialen Verhältnissen zum Opfer gefallen ist. Gebäude, Feste oder Straßen lichtet Mark nicht ab. Die meisten ihrer Fotos sind in Schwarz-Weiß gehalten, was den dokumentarischen Wert ihrer Aussage unterstreicht.

Mitgliedschaft bei Magnum

Seit 1976 war sie Mitglied der legendären Fotoagentur Magnum, die sie 1982 wieder verließ. Sie befand sich damit in Gesellschaft von George Rodgers, Rene Burri und der österreichisch-amerikanischen Fotografin Inge Morath.

Fotografie als Wissenschaft

Manche Fotografen fühlen sich als Wissenschaftler andere als Moralisten. Die Wissenschaftler widmen sich der Bestandsaufnahmen der Welt. Die Moralisten konzentrieren sich auf schwierige Fälle. Mary Ellen Mark steht wohl eher für das wissenschaftliche Genre und steht damit in der Tradition des deutschen Fotografen August Sander.

August Sanders Typen

1911 nahm er das Projekt der Katalogisierung des deutschen Volks in Angriff. Im Gegensatz zu den Zeichnungen eines George Grosz, der die geistige Verfassung und die vielfältigen Erscheinungsformen des Deutschen der Weimarer Republik mit Hilfe der Karikatur darstellte, ist Sanders Bildern von "Archetypen" eine pseudowissenschaftliche Neutralität anzumerken. Sander befand sich damit im Fahrwasser der im 19. Jahrhundert entstandenen typologischen Wissenschaften wie der Kriminologie, der Psychiatrie und der Eugenik.

Nach Sander waren die Fotografierten ein "Aushängeschild" für ein bestimmtes Gewerbe, eine Klasse oder einen Berufstand. Sanders Betrachtungsweise ist aber nicht lieblos, sondern tolerant. Er war nicht auf der Suche nach Geheimnissen, er suchte eher das Typische.

Verwandtschaften

Ähnliches beobachtet man auch bei den Fotografien von Mary Ellen Mark. Mit ihrer Reise durch Amerika, deren Fotos sie in dem Band American Odyssey 1999 vorlegte, studierte sie ähnlich wie Sanders die unterschiedlichsten Typen und Lebenszusammenhänge der USA.

Anders als bei Sander fehlt hier das sozialrevolutionäre Pathos, das wir heute beim Betrachten dieser Fotografien aus den zehner und zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts empfinden. Dennoch sind Mary Ellen Mark Fotos sozial engagiert und politisch. Dieses Engagement wirkt aber auf eine sehr diskrete Weise und äußerst sich vornehmlich in ihrer Motivwahl. Wie schwer es ihr gefallen ist, Anhänger des Ku-Klux-Klans zu fotografieren schreibt sie im Nachwort ihres Buches "American Odyssey".

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