Stil- und zeitlos

"Er gehört zu den 'Grand Old Artists' wie Gerhard Richter, Donald Judd und Bruce Norman", so Kunstkritikerin Brigitte Huck.


Das Wiener MAK widmet Richard Artschwager, einem der einflussreichsten Künstler der Gegenwart, eine große Retrospektive. Unter dem Titel "The Hydraulic Door Check" werden über 50 Arbeiten aus rund 40 Jahren gezeigt: die für Artschwager charakteristischen, möbel-ähnlichen Objekte aus Resopal, aber auch seine "Blps" sowie die Kisten der 90er Jahre. Die Schau ist bis 16. Juni zu sehen.

Da sich alle diese Arbeiten herkömmlichen Kategorisierungen wie Pop Art, Minimal Art, Konzept-Kunst und New Sculpture entziehen, wurde Richard Artschwager unter Kunstkennern eher als Geheimtipp gehandelt.

Table and Chair, 1963-64 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Table and Chair, 1963-64 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK

Unterschätzter Künstler

Artschwagers ironische Möbel-Objekte bestechen durch Eleganz. Eine sonderbare Formgebung macht die potenziellen Gebrauchsgegenstände zu Kunststücken. Die Kunstkritiker sind sich einig: Mit seinen bizarren Beichtstühlen, schlanken Stehpulten oder ganz einfach: Pyramiden, ist Richard Artschwager ein weit unterschätzter Künstler.

Internationale Anerkennung

Pyramid, 1979 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Pyramid, 1979 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Und das, obwohl der Künstler seit 1972 ständiger Gast bei der documenta in Kassel ist und ihm das Whitney Museum in New York bereits 1988 eine große Retrospektive widmete.

So meint etwa die Kunstkritikerin und freie Kuratorin Brigitte Huck: "Artschwager ist ein Künstler, der völlig unterschätzt wurde. Vor allem was die Gegenwartskunst und seine aktuellen Positionen unter den jüngeren Künstlern betrifft."

Zeitlose Kunst

Tower III, 1980 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Tower III, 1980 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
"Ich denke, dass er zumindest die Bedeutung hat, die er schon in den frühen 70er Jahren hatte, was eine seiner immanenten Qualitäten seiner Arbeit ist: Sie ist eigentlich stillos und daher auch zeitlos, indem er sich ausschließlich auf den Raum bezieht und auf das Erfahren des Raumes", erklärt Markus Mittringer, Kunstkritiker der Tageszeitung "Der Standard".

Für Mittringer ist die Retrospektive eine einzigartige Gelegenheit, in das Gedankengebäude von Richard Artschwager eindringen zu können. Denn in den 40 Jahren ist ein Werk angewachsen, das vielgestaltiger nicht sein könnte. Allein die Frage, ob es sich um Skulpturen oder um Bilder handelt, ist angesichts der Arbeiten des Künstlers nur schwer zu beantworten.

Denkstationen

Chair, 1965/77 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Chair, 1965/77 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Denn die für Artschwager charakteristischen Resopal-Tische und -Sessel sind gleichzeitig Möbelstücke, Skulpturen und bildliche Darstellung - letztendlich Denkstationen über die Eigenschaften der Dinge.

Der amerikanische Künstler mit den altösterreichischen Wurzeln erklärt dazu: "Ich habe einen existierenden Holztisch und Sessel als Holztisch und Sessel bemalt. Das heißt, es war nicht schwarz-weiß. Das wurde zu einem Bild von einem Tisch, da kann man auch ein Glas darauf stellen."

Höhepunkt "Haltestelle"

Nur scheinbar verwenden kann man einen Aufzug, der im Zentrum der Ausstellung im MAK steht. Es handelt sich um einen Lift aus Resopal, der durch akustische Simulation seine Funktionstüchtigkeit vortäuscht.

Haltestelle, 2002 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Haltestelle, 2002 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK

Höhepunkt der Schau ist das eigens für das MAK angefertigte Objekt "Haltestelle": ein großdimensioniertes Sitzobjekt aus Panelplatten mit Eichenfurnier, das eine Haltestelle als Ort des Denkens oder der Begegnung beschreibt.

Angriff auf Establisment

Für den Galeristen Georg Kargl, der für diese Schau sechs Arbeiten Artschwagers zur Verfügung gestellt hat, steht der Künstler für eine Umkehr des Skulptur-Begriffes. "Das Werk Artschwagers ist ein ziemlicher Angriff auf das Establishment, auf die Gesellschaft, um mit unpretentiösen Materialien eine Wirkung zu erzielen", meint Kargl.

Door }, 1983-84 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Door }, 1983-84 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK

Vorbildwirkung für Junge

Bis in die Gegenwart hat Richard Artschwager in der jüngsten Künstlergeneration große Vorbildwirkung. Heute wie damals sind diese Kunstwerke von der Kunstkritik nicht leicht einzuordnen.

Splatter Chair, 1995 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Splatter Chair, 1995 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: MAK
Der Künstler, der mit seinen Arbeiten in allen international bedeutenden Sammlungen vertreten ist, meint dazu: "Das ist schwer für mich, weil ich eben an diesen Bewegungen teilgenommen habe, bevor sie genannt oder entdeckt wurden von Kritikern oder von Historikern. Sie brauchen immer eine vierte Dimension von Zeit, um eine Bewegung - ich möchte lieber sagen: zu schaffen, statt zu entdecken."

Tipp:

Richard Artschwager: "The Hydraulic Door Check. Skulptur, Malerei, Zeichnung", MAK-Ausstellungshalle, 27. März bis 16.Juni, Informationen: 01/711 36-0

Radio &sterreich 1