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KRUMAU: Die Künstlerin Sibylle Küblböck im OÖN-Gespräch über ihre Arbeit im Landes-Atelier

Knallrot wie ein Ferrari Testarossa

"Wie zehn Jahre!" - sagt der tschechische Zollbeamte. Kopfschüttelnd betrachtet er eine Zeichnung. Darauf ein reduziertes Liniengespinst schwarz auf weiß. Dünn und tastend, dann kräftig, dann die Andeutung eines Gegenstands. Wie die Arbeit eines Seismographen, der Einflüsse aufzeichnet. "Bei mir geht es immer um Befindlichkeiten im erweiterten Sinn" - so die oberösterreichische Künstlerin Sibylle Küblböck und so ist der Gedanke an die Aufzeichnungen eines Seismographen nicht abwegig. Die OÖN haben die Künstlerin in der tschechischen Stadt Krumau besucht. Dort hat Sibylle Küblböck den September über ihr Quartier aufgeschlagen. Sie erhielt vom Land Oberösterreich das begehrte Auslandsstipendium für einen einmonatigen Arbeitsaufenthalt im Atelier des tschechischen Egon-Schiele-Centrums.

Absurde Fahrzeuge
Um dorthin zu gelangen, geht man durch das Burgtor in die Stadt, hält sich rechts und knapp fünfzig Meter weiter ist schon das attraktive Museum zu finden, das derzeit bis 29. Oktober übrigens eine großartige Ausstellung von Werken Egon Schieles und Max Beckmann zeigt. Wer sich durch das Museum nach hinten auf den Hof und dann in ein fabrikähnliches Gebäude wagt, trifft auf die derzeit in unterschiedlichen Räumen unterschiedlich arbeitenden Künstler unterschiedlicher Nationen.
Sibylle Küblböck in einem lichtdurchfluteten, mehrere Meter hohen Atelier: "Mich fasziniert hier in Tschechien diese spürbare Kafka-Schrillness, dieses leicht Morbid-Melancholische. Und das Atelier hier ist ein Traum. So was würde ich mir auch in Linz wünschen."
Auf dem rohen Holztisch in Raummitte ausgebreitet liegen besagte Skizzen der Künstlerin. An die Wand gelehnt präsentieren sich knallrot grundierte Bilder, daneben knallrote Holz-Objekte, die frappant an Fahrzeuge erinnern. Ein Lastwagen? Ein Tretroller? Doch eine mögliche Eindeutigkeit ist immer wieder gebrochen: durch versetzt montierte Reifen, durch kurios blockierte Lenkstangen.
An einen Wandvorsprung geheftet ist ein Text Küblböcks. Er bildet den Ausgangspunkt zum hier erarbeiteten Projekt "Zeug fährt in die Welt".
... Nur nicht aus dem Fahrzeug eine benützte Sache erfahren wollen sagen Kurven, stehen lassen wie es ist, und es wird sich bewegen was nicht fährt ...
So lautet die Schlusszeile aus diesem Text, den Küblböck im Vorjahr verfasste und der auf das Grundthema ihrer literarischen und bildnerischen Auseinandersetzungen verweist: Den Wunsch nach Bewegung, die Erweiterung durch Bewegung, die Grenze von Bewegung. "Es geht dabei sowohl um die geistige als auch körperliche Bewegung" - so Küblböck, die kurz ihren künstlerischen Prozess erläutert: "Zuerst steht der Text als direkt transportierter Teil meiner Gefühlswelt."
Die Formulierungen dafür fallen ihr spontan ein: "Da wird nichts herumgefeilt." Anschließend wird der Text in die "Fahrzeug"-Skulpturen umgesetzt. Küblböck: "Das leuchtende Ferrari-Rot ist für mich der Gegensatz zu ihrer Unbeweglichkeit."
Diese Objekte werden fotografiert, Zeichnungen werden davon gefertigt, beides wird am Computer bearbeitet und per Inkjet auf Holztafeln gedruckt. Anschließend werden noch "Superzeichen" (so Küblböck) aus dunkelblauem Lack aufgemalt. Sie wirken wie Sprechblasen aus Comics, wie kleine Teiche, die aus dem Bild hinausrinnen. "Die Tafeln sind für mich so was wie moderne Ikonen". Womit Küblböck den Nagel auf den Kopf trifft, denn die Mobilität (auch durch das Internet) ist zu einem wesentlichen geistigen Inhalt unserer Zeit geworden.

Abstrakte Irritationen
Durch die Holzstruktur des Untergrundes und die Mischung der Medien erreichen die Arbeiten jedenfalls eine flirrende Mehrdimensionalität. Auch in Bezug darauf, welche Assoziationen sich beim Betrachten der Arbeiten einstellen. Das Auge findet zwar konkrete Hinweise, wird jedoch gleichzeitig durch die abstrakten Linien irritiert.
Zurück an die Grenze: Befremdet hat der Beamte weiter Bild um Bild umgeblättert, Objekt um Objekt angesehen, rot wie ein Ferrari Testarossa. Nun, das ist wohl wirklich nichts zu verzollen: "Wie zehn Jahre", murmelte er wieder. Wobei er damit durchaus eine weitere Assoziation zu den modernen Ikonen auftut: Denn steht nicht auch in der Bibel, dass wir erst wie die Kinder werden müssen, um Erfüllung finden zu können?
Das ist eine gute Metapher für Küblböcks Rückzug aus der Fülle der akademischen Ausbildung in diese reduzierte Schlichtheit.


OÖN vom 25.09.01 zuletzt geändert am: 24.09.01 16:18:34


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