Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Die Kunsthalle Wien schlägt zurück

Von Christoph Irrgeher

Aufzählung Direktor suchte Maulwurf und feuert Thomas Mießgang.
Aufzählung Rätselraten über Matts Vertrag.

Wien.Montagfrüh ging er noch zur Arbeit. Heute kann er es nicht mehr. Denn am besagten Morgen, nach elf Jahren Dienstzeit, wartete ein Herr im feinen Zwirn am Schreibtisch Thomas Mießgangs: Der Bote einer Anwaltskanzlei war gekommen, um dem Kunsthalle-Wien-Mitarbeiter ein Entlassungsschreiben zu übergeben. Denn Mießgang soll interne Daten widerrechtlich weitergegeben haben.

"Der Vorwurf ist lächerlich. Ich hab’ auch nicht die erforderlichen Logins", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Sein Verdacht: Nach den Negativ-Schlagzeilen der Vorwochen "steht die Chefetage unter Druck und startete einen Befreiungsschlag". Dass man Mießgang zum Sündenbock gemacht hätte, käme nicht von ungefähr: Vor zwei Jahren kritisierte er demokratische Defizite unter der Ägide von Direktor Gerald Matt. Danach habe man den leitenden Kurator bald zum "weißen Elefanten" gemacht.

Dass das Verhältnis zwischen Matt und Mießgang kein ungetrübtes war, wird in der Kunsthalle zwar bestätigt. Die Entlassung habe aber nichts damit zu tun. Nachdem die Kunsthalle Mitte Mai einen "massiven Datendiebstahl" zur Anzeige gebracht hat, ließ sie die Datenflüsse im Haus zuletzt von einem IT-Spezialisten durchforsten. Dessen Ergebnisse hätten zu Mießgangs Entlassung geführt. Doch damit nicht genug: Wie es aus der Kunsthalle tönt, hätte der Mitarbeiter auch pornografisches Material heruntergeladen.

Wie Mießgang einwendet, stand das jedoch im Kontext einer einschlägigen Ausstellung des Hauses. Um ihn loszuwerden, sei offenbar "keine Schublade tief genug". Und der zentrale Vorwurf der Datenweitergabe werde im Entlassungsschreiben nur "sehr unspezifisch" erhoben. Die Entlassung wird er rechtlich anfechten.

Gemeinnütziger Verein, Nutzen für den Direktor

Nach einem Maulwurf ließ Matt nicht ohne Grund suchen: Seit April steht der Direktor des Stadt-Wien-nahen Hauses in der Kritik, immer wieder verbunden mit der Publikation vertraulicher Dokumente. Hauptvorwürfe: Die Kunsthalle-Leitung soll Druck ausgeübt haben, um Sponsoren einbürgern zu lassen; und für ein Buchprojekt, lediglich zwischen Matt und dem Parlament paktiert, habe der Direktor Mitarbeiter eingesetzt. Der Kunsthalle-Vorstand konterte, es handle sich um ein Kooperationsprojekt. Und es stünde in Matts Vertrag, dass er betriebliche Ressourcen für Nebentätigkeiten nützen darf.

Den entsprechenden Passus legte Matt – er ist der Form nach Generalsekretär eines gemeinnützigen Vereins – bisher nicht vor. Er findet sich auch nicht in jenem Vertragsverlängerungsentwurf für die Jahre 2003 bis 2009, der der "Wiener Zeitung" vorliegt. Dass Matt beim Parlamentprojekt korrekt gehandelt hat, bestätigte jedenfalls ein von der Kunsthalle beauftragtes Gutachten. Ein weiterer Bericht von iB Interbilanz Hübner soll die Vorjahre prüfen – und damit auch den Verdacht auf hohe Spesen.

 

Printausgabe vom Mittwoch, 01. Juni 2011
Online seit: Dienstag, 31. Mai 2011 18:08:15

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*
H-DMZN07 Bitte geben sie den Sicherheitscode aus dem grünen Feld hier ein. Der Code besteht aus 6 Zeichen.




* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Feedback-Regeln.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at