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Verpflichtet zur Leidenschaft

18.10.2007 | 18:34 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Neben all dem anbrechenden Rechnen sollte nicht vergessen werden, was für die Zukunft zählt.

Jahrelang habe ich mich gesträubt, mir das Schindler-Haus in Los Angeles anzusehen. Diesen Sommer sind mir die Ausreden endgültig ausgegangen. Grantig quetschte ich mich in den Flieger. Drei Tage USA. Nonstop-Jetlag. Triste Rasterstadt. Entsetzlich. Was bitte braucht das MAK schon eine Dependance in Hollywood? Lächerlich, dachte ich.

Und dann ging ich in die Knie. Was ich hier mitten in L. A. sah, eingepfercht von immer dichter heranrückenden baulichen Hässlichkeiten, war alles andere als das repräsentative Dienstreisendomizil eines lang gedienten Museumsdirektors. Ich sah einen völlig unspektakulär wirkenden Pavillon – der nichts Geringeres ist als die liebevoll gepflegte Wurzel der architektonischen Moderne in L. A., 1921 gebaut vom Österreicher Rudolf Schindler. Heinz Emigholz' meditativer Architekturfilm „Schindlers Häuser“ wird bei der heurigen „Viennale“ von dieser Ikone einer Moderne erzählen, von der wir selbst kein einziges Beispiel haben. Niente, nichts.

Trotzdem profitiert Österreich bis heute – wie Frank Gehry bei seiner Wien-Visite bestätigte – vom Ruf dieses Architekten, der hierzulande wahrscheinlich am Hang zur Tradition verhungert wäre. Noch. In Zukunft, in der Post-Noever-Zeit, wird hart an dem Bewusstsein weitergearbeitet werden müssen, dass sich nicht das MAK eine Dependance leistet, sondern Österreich auf diese Kultur-Botschaft nicht verzichten kann. Denn eine intelligentere Investition in unser Image abseits der Klischees gibt es nicht.

Wozu plötzlich dieses Plädoyer für dieses Architekturjuwel in L. A. und den starrköpfigen Wiener Museumsdirektor, dem wir dessen Erhalt verdanken? Weil ein anderer Wind aufzuziehen scheint. Weil die Banken den Rotstift bei ihren Kunst-Foundations ansetzen und aus den Banken die Entscheidungsträger kommen, die unsere Kulturpolitk bestimmen. Neben all diesem anbrechenden Rechnen sollten wir aber eines nicht vergessen: Unsere Verpflichtung zu kämpferischer Leidenschaft denen gegenüber, deren Utopien wir heute kühl ausschlachten.


almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2007)


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