Salzburger Nachrichten am 5. April 2006 - Bereich: Kultur
Schwund im Grazer Stadtmuseum Mit einer "Kunstklappe" -
analog zur "Babyklappe" für weggelegte Kinder - sollen im Grazer
Stadtmuseum gestohlene Kunstwerke zurückgegeben werden.
Martin BehrGraz (SN). Die eben abgeschlossene, erste professionelle
Inventarisierung der Kunstwerke im Grazer Stadtmuseum erbrachte ein
schlechtes Ergebnis. "Es wurden 808 Gemälde aufgelistet, wonach laut alten
Aufzeichnungen mindestens 161 Bilder fehlen", erklärte der Grazer
Kulturstadtrat Werner Miedl (ÖVP) am Dienstag in einer Pressekonferenz.
Bei den Skulpturen sind die "Fehlbestände" ebenfalls eklatant: 291 Objekte
konnten gesichtet werden, mindestens 39 fehlen. Die "Neuinventarisierung" der Bestände war die erste Handlung, die
Stadtmuseumsdirektor Otto Hochreiter bei seinem Amtsantritt im Sommer 2005
eingeleitet hat. Nach den "verschwundenen Exponaten" werde mittlerweile
international gesucht, man verfüge über Hinweise, wo einige Werke seien,
sagte Miedl, ohne konkret zu werden. Um Dieben oder Personen, die auf fragwürdige Weise in den Besitz der
Kunstwerke gelangt sind, tätige Reue zu ermöglichen, geht das Museum einen
ungewöhnlichen Weg. Analog zur "Babyklappe" wird in den kommenden Wochen
eine "Kunstklappe" eingerichtet. Miedl: "Auf diese Weise ist eine anonyme
Rückgabe der Objekte möglich." Die Idee zur "Kunstklappe" geht auf die beiden Künstler Moussa Kone und
Erwin Uhrmann zurück. Die beiden, die auch die Wiener Galerie Kunstwerft
führen, haben die "Kunstklappe" nach dem spektakulären Saliera-Diebstahl
eingeführt und die Idee mittlerweile auch nach Köln exportiert. Auch bei
der Grazer Einrichtung für reumütige Kunstdiebe soll das Duo mitarbeiten.
"Wir sind überrascht, weil wir offiziell nicht informiert wurden, sind
aber gesprächsbereit", erläutert Kone. Welche Objekte dem Museum in den
vergangenen 50 Jahren "abhandengekommen" sind, wollten weder Hochreiter
noch Miedl sagen. Begründung: Dann wäre die Existenz dieser Werke in
Gefahr. Es handle sich aber meist nicht um Randwerke, sondern um "sehr
repräsentative Objekte der Sammlung". Miedl hat bereits den
Stadtrechnungshof und die Staatsanwaltschaft Graz eingeschaltet. Bei der Inventarisierung stieß ein siebenköpfiges Team auf mehr als
64.000 Objekte, darunter 24.000 Ansichtskarten, 19.000 Fotografien, 9000
Arbeiten auf Papier, 4700 Musikalien und 4000 Archivalien. In der
Vergangenheit habe es alte, lückenhafte und teilweise unleserliche
Eingangs-Protokollbücher und so genannte Inventarbücher gegeben, sagte
Hochreiter, der das Stadtmuseum als "Identitätslabor" definiert und das
Haus mit der Ausstellung "Die Totale" am 27. April eröffnen wird. Rund 600
Gemälde aus dem eigenen Depot, vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart,
werden gezeigt. Der 52-jährige gebürtige Innsbrucker Otto Hochreiter ist seit
Jahrzehnten Ausstellungsmacher, unter anderem arbeitete er für das
Taxispalais Innsbruck und die Salzburger Kulturveranstaltungsgesellschaft
"Spot". Für das Museum des 20. Jahrhunderts in Wien kuratierte er
Fotoausstellungen. Mit einem Budget in der Höhe von 1,28 Millionen Euro
plant er in Graz unter anderem Hommagen an Johann Bernhard Fischer von
Erlach und Wolfgang Bauer. |