Fotografien vom Rand

Rund 60 Fotografien aus über 35 Jahren, von 1965 bis 1991, zeigt die Ausstellung. "Photographs". Sie war vorher in Prag zu sehen und bietet ein breiter Überblick über Mark fotografisches Oeuvre.


Neben zahlreichen Aufnahmen von Celebrities steht Mary Ellen Mark vornehmlich in der Tradition der sozialkritischen Fotokunst, wie sie etwa in den 30er Jahren von Dorothea Lange mit der "Migration Mother" so eindrucksvoll dokumentiert wurde.

Mary Ellen Mark / ©Bild: Mary Ellen Mark
Mary Ellen Mark / ©Bild: Mary Ellen Mark

Werdegang

Anfang der 60er Jahre studierte Mary Ellen Mark an der Universität von Philadelphia Fotojournalismus und erhielt in der Folge zahlreiche Stipendien. Sie finanzierte damit Reisen in die Türkei, nach Ex-Jugoslawien und verbrachte einige Jahre in Indien. Dort fotografierte sie die Arbeit der Schwestern von Mutter Teresa und zahlreiche indische Wanderartisten bei ihren Darbietungen.

Schlüsselerlebnis

Bei ihren Streifzügen mit ihrer Kamera machte sie in den 70er Jahren eine für ihre spätere Arbeitsweise bahnbrechende Erfahrung. 1974 fotografierte sie für Milos Forman bei seinem Film "Einer flog über das Kuckucksnest" Filmszenen. Bei dieser Arbeit machte sie die Bekanntschaft von Patientinnen, die in der geschlossenen psychiatrischen Anstalt des Oregon-State-Hospitals festsaßen. Sie interessierte sich für diese Frauen und lernte sie nach und nach kennen.

Aufnahmen aus dem Ghetto

Die Frauen erzählten ihr ihre Leidensgeschichte und so gelang es ihr sehr einfühlsame und ungewöhnlich intime Porträts dieser Gruppe zu zeichnen. Diese Arbeit Ward 81 machte sie bekannt und prägte in der Folge ihre Arbeitsweise. Denn sie begann sich zusehend für Gruppen von Menschen zu interessieren, die in eine Art Ghetto lebten.

Prostituierte Tiny

Mark begleitete Menschen am sozialen Rand durch zahlreiche Stationen ihres Lebens. So fotografierte sie Anfang der 80er Jahre die zwölfjährige Prostuierte Tiny, die sich völlig ungezwungen vor der Kamera bewegte. Achtzehn Jahre später traf sie sie wieder - dreißigjährig und als Mutter von fünf Kinder verschiedener Väter. Der Kontakt zwischen dem Objekt der Darstellung und der Fotografin hinter der Linse kann unter diesen Umständen nur vertrauensvoll sein, anders entstehen solch eindringliche Momentaufnahmen nicht.

Family Damm

Ähnlich arbeitete Mark mit der verelendeten Familie Damm. Sie besuchte sie 1987 und 1994. Jedes Mal platzte sie in eine Krisensituation. 1987 waren Linda, Dean, Jesse und Crissy gerade an die Luft gesetzt worden. Sie übernachteten meistens in ihrem Auto. 1994 ging es ihnen besser, sie hatten in einer leerstehenden Ranch eine behelfsmäßige Bleibe gefunden. Doch die beiden ältesten Kinder besuchten keine Schule.

"Jesse mit seinem Hund Runtley", Los Angeles, 1987 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: Mary Ellen Mark

Voyeurismus oder Empathie?

Ob man Mary Ellen Mark einen gewissen Voyeurismus vorwerfen kann, ist nicht zuletzt eine Frage des Blickpunkts und des Geschmacks. Ihre Kamera denunziert nicht, sie beschönigt auch nichts und die Abgebildeten haben eine gewisse natürliche Präsenz. Der Regisseur Luis Malle formulierte einmal in der Zeitschrift "Rolling Stone" seinen Eindruck von der Fotografin:" Da sie auf die Menschen die sie fotografiert neugierig ist, da sie ihnen wirklich nahe kommt und sie liebt, vermag sie oft ihre Lebensgeschichte, ihre Gefühle, ihre Seele in einer einzigen Aufnahme bloßzulegen."

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