"Wenn man versucht, etwas mit der Kirche zu machen, geht
es daneben. Sogar der moderne Kirchenbau ist uninteressant geworden",
brachte der Wiener Architekturtheoretiker Jan Tabor Freitag provokant
Schwung in die Diskussionsrunde bei den Grazer Minoriten. Auch die
Kunstsammlung im Vatikan sei schlichtweg Kitsch. Zuvor hatte bereits
Moderator Peter Pawlowsky eingeworfen, niveauvolle moderne Kunst
"verweigert sich weitgehend der Kirche". Ausgangspunkt der festlichen
Eröffnung des renovierten, seinerzeit von Josef Fink gegründeten
Kulturzentrums war die Präsentation des neuen Heftes "Kunst und Kirche",
das nach Grandseigneur Günter Rombold nun von Alois Kölbl und Johannes
Rauchenberger redigiert wird.
Ganz im Sinne der Ökumene und dennoch reibend wie
Sandpapier widmet sich der Schwerpunkt "Pathos und Emotion in der
aktuellen Kunst" dem Barock. Oder wie es im Vorwort heißt: Pathos als eine
Liebeserklärung "an die ,Versüdlichung' vom betont protestantischen Norden
zum Barock katholisch-südlicher Provenienz".
Das von süßlicher Leidensästhetik durchdrungene, Christi
Kreuzigung assoziierende Titelbild von Muntean/Rosenblum (beide grenzen
sich in ihren visuellen Welterfahrungen von Religion ab) ist ein
gelungener Blickfang für kontroversielle Betrachtungen. Für Margarethe
Markovec, Kuratorin von "rotor", ein Beleg für religiöses
Hineininterpretieren, das aber nicht die Ausgangslage des Künstlers
ausmache.
Barock-Kenner Tabor lud zum Ausflug in die Geschichte
ein, wonach "sich der Begriff von Kunst, der heute gilt, in der Barockzeit
entwickelte. Religion, Kunst und Ideologie sind gleichzeitig entstanden
und waren eine Einheit, die sich in der Renaissance, vor allem im Barock,
auflöste."
Bruch im 19. Jahrhundert
Dazu der Medienkünstler Richard Kriesche: "Der Bruch ist
im 19. Jahrhundert mit dem neuen Forderungsprogramm von der Autonomie des
Menschen vollzogen worden. Die bürgerliche Gesellschaft hat Kunst für sich
selbst instrumentalisiert. Die Kirche hat die Leitfunktion verloren."
Motive für einen Annäherungsversuch sieht Kriesche heute
"im Leidensdruck von Kirche und Kunst an der ihnen abhanden gekommenen
Gesellschaft (Insider-Publikum)." Beide liefen Gefahr, "zu ästhetischer,
beziehungsweise religiöser Folklore zu werden".
Gemeinsam sei beiden der Generalvertretungsanspruch (mit
jüngsten Konflikten um Nitsch und Haderer). "Alleinvertretungsansprüche
der Religion funktionieren heute nicht mehr", bekannte (Kunst- und
Kultur-)Bischof Egon Kapellari, unterstützt vom Fundamentaltheologen
Gerhard Larcher, der hervorhob, "Kunst muß es wertschätzen, einen Partner
zu haben, der hinsichtlich Gedächtnis, Opfer und Grausamkeit dieselbe
Ethik verfolgt." An die Künstler richtete Kapellari die rhetorische Frage,
ob sie wie das gegenwärtige Christentum von Güte, Barmherzigkeit oder von
Opferbereitschaft geprägt seien?
Wurden der Kirche in der Diskussion gesellschaftsfremde,
autokratische Strukturen vorgehalten und zu wenig gestalterische Impulse
für das heutige Leben, räumten selbst kritische Stimmen ein, daß es
theologische Ebenen gibt (etwa im sozialen Bereich oder in der
Asylantenfrage), die - wie Tabor sagte - von "lobenswerter Radikalität"
seien. Wunden und Verletzungen auf beiden Seiten bewirken vielleicht die
Renaissance einstmaliger Familienbande. Gleich, ob sich das in barocken
oder ganz neuen Zeichen ausdrückt. Brückenpfosten haben verfeindete
Freunde gebaut.
Das Prinzip Hoffnung gilt der Praxis, der Vernunft und
Emotionalität sowie der konsequenten, kritischen Begegnung - kurzum der
Zukunft!
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