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Avantgarde in München 1969

Publikumsstörung

von Anne Katrin Feßler  |  07. März 2011, 20:42
  • Artikelbild: Guiseppe Penone brachte einen Balken in die Zeit zurück, "in der er ein 25-jähriger Baum war". - Foto: Peter Nemetschek © VBK Wien, 2011
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    Guiseppe Penone brachte einen Balken in die Zeit zurück, "in der er ein 25-jähriger Baum war".

Nur ein Jahr lang bestand der legendäre Aktionsraum 1 - Auch Wiens Aktionisten waren dort zu Gast

Wien - Freiheit muss man sich nehmen: "Wir stellen Ihnen Räumlichkeiten zur Verfügung, denen nicht wir, sondern Sie durch Ihre eigene Anwesenheit Inhalt geben." Dass das Publikum die angebotene Freiheit zu spontanen eigenen Aktivitäten auch tatsächlich ergreifen würde, damit rechnete das Künstlerduo Lindow und Borlat bei der Eröffnung des Aktionsraums 1 im Oktober 1969 in München wohl nicht. Und so störte das freudig erwartete Unerwartete ihrer Joint Action IX andere Aktionen ein wenig.

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Etwa die Begehung von Klaus Rinkes Wassersack: Auf dem riesigen, 9000 Liter fassenden Planengebilde wurden selbst alltägliche Bewegungen zu einer neuen Erfahrung. Um allerlei Stockflecken bereichert ist der nun als Relikt in der Ausstellung zu Ehren des legendären, nur ein Jahr lang bestehenden Aktionsraums 1 (dann wurde die Halle abgerissen) präsentiert.

Ein Forum für unterschiedliche Auffassungen, wo alle erdenklichen menschlichen Probleme verhandelt werden konnten, das sollte der vom Schriftsteller Alfred Gulden, Künstler Peter Nemetschek und Mäzenin Eva Madelung initiierte Raum sein. Und tatsächlich: Die 50 Projekte, die Vertreter von Aktions-, Konzeptkunst und Arte povera hier durchführten, waren mehr als unterschiedlich. Bernhard Hökes skizzierte seine Vision einer im Drogenrausch entstehenden Stadt. Luciano Fabro schneiderte Papierkleider live auf nackte Leiber. Giuseppe Penone schälte einen Holzstamm aus einem Holzbalken. Auch Österreicher waren zu Gast: Im Gegensatz zu Günter Brus' Zerreißprobe fand Hermann Nitschs behördlich verbotenes Abreaktionsspiel nur vor der Presse statt. - Erhalten sind die Aktionen nur in Form geduldigen Papiers. Trotz Fotos und Videos recht spröde Dokumentationen, die aber in Form mäandernder Vitrinenschlangen und mit knappen Texten versehen, ansprechend aufbereitet wurden. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 8. März 2011)

Mumok, Wien, 7., Museumsquartier, bis 29. 5.

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