Galerien
Google, gaga, Heidegger
(cai) Wie nennt man die
zersägte Jungfrau auf G’scheit? Diptychon. Nein, natürlich nicht. (Ähm,
wieso nicht? Ein Diptychon ist ein zweiteiliges Werk und die
zersägte Jungfrau doch auch.) Und wie sagt man zur schwebenden
Jungfrau noch? Mariä Himmelfahrt. Maria Bussmann hat das Wunder
jedenfalls so gezeichnet, als wär’s der klassische Zaubertrick. Nur dass
sie die abhebende Madonna zusätzlich halbiert hat. Aha, ein Diptychon.
Die zersägte schwebende Jungfrau Maria. Hm, der David Copperfield tät’
sie obendrein sicher noch locker durch die Chinesische Mauer schieben.
Die Himmelfahrt nimmt Bussmann also nicht grad todernst. Okay,
womöglich hat sie für eine halbherzige Naturstudie einem Engel die
Flügel ausgerissen. Wie der Dürer einer Blauracke. (Der hat die Federn
aber wenigstens fertig ausgemalt.) Dafür wird das Papier höchst
lebendig, wenn sie es knautscht, verdrahtet und wildromantische Modelle
baut. Ja, die verspielten Details sind putzig. Etwa wenn ein Wasserfall
mit echten Steinen verziert ist. (Diamanten? Nein, Kieselsteine.)
Trotzdem bleiben es Basteleien. Na ja, zumindest kennt man sich aus. Was
man von diversenZeichnungenvollerVanitas-Symbole nicht
behaupten kann. Stünde nicht dabei, dass sie sich alle auf Heideggers
"Sein und Zeit" beziehen, ich hielte das eine Bild, auf dem Adam und Eva
durchgestrichen sind, für eine Illustration von Darwins "Die Abstammung
des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl". Dürfen KünstlerüberhauptIntellektuelleseinoder
sollten sie sich lieber dumm stellen? Und können sie es verantworten,
dass ich Heidegger googeln muss
undbeimVersuch,dieontologischeDifferenzzwischen dem Sein und dem
Seienden zu erfassen, gaga werde?
Hilger
Contemporary
Dorotheergasse 5, 1010 Wien
Maria Bussmann:
Himmelfahrt, bis 19. Juni
Di. – Fr.: 10 – 18 Uhr, Sa.: 10 – 16 Uhr
Sisyphos geht in Pension
(cai) Dass das Riesenrad auf
dem Foto noch alle Gondeln hat, besagt gar nix. Denn wer erstens ein
Perfektionist und zweitens ein Meister der Retusche ist (und in einer
Bewegungsstudie über bloßfüßige Tänzerinnen die Füße schamlos kopiert
und versetzt), der hätte wohl auch keinen Genierer, die fehlenden
Gondeln zu ergänzen. Woher man weiß, dass sie wirklich da
waren? Weil Rudolf Koppitz schon 1936 gestorben ist. Ob er nun durch
eine Rathaus-Arkade aufs Burgtheater blickt oder schöne Menschen klar
und streng inszeniert, jedes Bild ist formvollendet. Er selbst stemmt
einmal athletisch auf einem Gipfel einen Felsbrocken hoch. Darf der
Sisyphos, der pragmatisierte Büßer, der seine Sisyphosarbeit nie
verlieren kann, endlich doch den Stein schmeißen und in
Pension gehen? Der frühe Koppitz’ hat übrigens noch die
Malerei imitiert. Aber was beweist wohl besser, dass die Fotografie eh
Kunst ist, als die 145.000 Euro, die die erwähnte Bewegungsstudie heute
kostet?
Galerie Johannes Faber
Dorotheergasse 12, 1010 Wien
Rudolf
Koppitz, Photographs, bis 11. September
Di. – Fr.: 10 – 18 Uhr, Sa.:
10 – 16 Uhr
Lobet das Holz!
(cai) Niemand würde eine grobe
Cordhose und ein romantisches Blümchenkleid gleichzeitig
anziehen. Der Peter Lang hingegen, nein, der tut das wahrscheinlich
auch nicht. Doch in seinen imposanten Gemälden kreuzt er quasi
die sturen parallelen Linien vom Schnürlsamt mit der Idylle einer
Blumenwiese (ohne dass die Bilder Blumen enthalten ). Seine
Holzschnitte können aber brutal klobig sein. (Na ja, benutz’ ich
jetzt halt das böse Wort: langweilig.) "Emma" aber ist ein einziger
Lobpreis auf die Maserung des Holzes.
Galerie
Lindner
Schmalzhofgasse 13/3, 1060 Wien
Peter Lang:
Distanzen, bis 9. Juli
Di. – Fr.: 14 – 18 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 16. Juni 2010
Online
seit: Dienstag, 15. Juni 2010 16:25:00
Liebe Leser,
wegen einer technischen Umstellung ist das Senden
eines Kommentars vorübergehend nicht möglich.
Ihr
Wiener Zeitung Online Team