Belvedere: Zeitgenössische Kunst widmet sich dem Thema "Empfindung"
Straucheln und Stolpern mit Absicht
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Nichts ist mehr eindeutig: Kathi Hofers Installation "Spiegel, kaschierte und gefaltete". Foto: Kathi Hofer
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00084083-Dateien/wzfeld.gif)
Wie befremdlich der Ausstellungstitel auch klingt, er verdankt sich
wissenschaftlicher Vorarbeit: "Empfindung oder in der Nähe der Fehler
liegen die Wirkungen", derzeit im Augarten Contemporary des Belvedere
zu sehen, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Trios Sabeth Buchmann, Kathi
Hofer und Eva Maria Stadler. Hofers theoretische Arbeit über Ernst
Machs "Analyse der Empfindungen" von 1886 war der Ausgangspunkt eines
Seminars von Buchmann, die als Professorin für Kunstgeschichte an der
Akademie der bildenden Künste lehrt.
Auf die Diskussion von
Texten zur Kunstphilosophie folgte die künstlerische Praxis zum
aktuellen Thema Affekt. Die entstandenen Arbeiten der Studenten wurden
von Kuratorin Stadler ausgewählt und als wohl strengste Prüfung mit dem
Werk bekannter Künstler konfrontiert. Und: Sie halten stand.
In der adäquaten Präsentation – mit eingeschobenen Querräumen für
Videos und Hörboxen – wird dem Besucher klar, dass das Thema Empfindung
nicht wie in vergangenen Zeiten mit einem romantischen Gefühl oder
einer pathetischen Zornes-Äußerung abgetan werden kann. Die Empfindung
– so die neue Sicht – ist ein befremdender Moment des Zauderns zwischen
dem eigenen Inneren und dem Außen; es führt uns ein Neutrum vor Augen.
Den Auftakt der Schau macht Samuel Becketts Streifen "Film" mit dem
letzten Auftritt von Buster Keaton unter der Regie des Autors
(1963/64). Gemeinsam mit dem Dichter erinnern wir uns an ironische
Momente, in denen absichtsloses Straucheln weit über dem Geniestreich
zu stehen kommt.
Im Trilemma
Dazu passend beleuchtet Gerard Byrne bizarre Bäume aus Irland und
Frankreich – Orten von Becketts Schreiben – theatralisch. Das
Farbentheater interessiert wiederum Tanja Widmann in ihrem
Farb-Widerstand gegen den Schwarzfan Ad Reinhardt; abstrakter agieren
Heimo Zobernig oder Jeoren de Rijke und Willem des Rooij.
Wenn bei Ulrike Müller nicht nur Zeichnungen Kuriositäten der
Empfindung erklären sollen, sondern die Peitsche in einem Video knallt,
oder wenn sich Lisa Rastl in "Zen for Doing" beim Fotografieren
fotografieren lässt, ist das eine gewollte Verwirrung. Nichts ist mehr
eindeutig wie in der alten Kunstauffassung, die Identitätskrise einer
massenmedial geprägten Zeit lässt uns in einem Trilemma zurück – ein
Dilemma wäre noch einfach.
Trotzdem ist diese Ausstellung keine Kopflast: Das Nachdenken über
die Stolperschwellen und hybrid gespannten Schnüre kann amüsieren.
Letztere bilden bei Julian Göthe und Tobias Roschger tatsächlich neue
Konstruktionen, während die Fäden in Jenni Tischlers poetisch
analysierter Arbeit "A Rose is a Rose is a Rose is a Rose" zu zahllosen
Schnittstellen führen. Und die im Konzept so wichtige Filmanalyse von
Constanze Ruhm über Jean-Luc Godard ist voll von Kippeffekten der
Empfindung.
Die Schau könnte den abgelegenen Ort im Augarten wieder einmal ins
Zentrum rücken – wenn schon nicht von Wien, dann in jenes des
Kunstinteresses.
Ausstellung
Empfindung
Eva Maria Stadler (Kuratorin) Belvedere, Augarten Contemporary Bis 24. Mai
Printausgabe vom Freitag, 06. Februar 2009
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