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Galerien in Wien: Wiener Ruinen und New York

26.11.2008 | 19:05 | NICOLE SCHEYERER (Die Presse)

Das „Momentum“ zeigt Fotografien des Wieners Ernst Haas (1921–1986).

Unruhige Blicke, besorgte Mienen: So hat Ernst Haas 1947 in einem Wiener Bahnhof Mütter fotografiert, die nervös auf die Rückkehr ihrer Söhne aus Russland warten. Die Serie erschien im „Life“-Magazin und machte den 1921 in Wien geborenen Reporter auf Anhieb bekannt. In der Fotogalerie Momentum wird das emotional dichte Foto „Heimkehrer“ jetzt als 9500 Euro teures Vintage angeboten. In seiner Serie „Eine Welt in Trümmern“ hielt Haas seine zerstörte Heimatstadt fest, nicht immer von der tragischen Seite: Eine Mutter im Bikini und ihre drei Kinder genießen vor einer Kulisse aus Häuserruinen ein Sonnenbad (11.000 €).

 

„Misfits“: Marilyn Monroe

Bald war Haas Mitglied der 1947 von Robert Capa und Henri Cartier-Bresson gegründeten, unabhängigen Fotoagentur Magnum. Anfang der Fünfzigerjahre zog es ihn nach New York, wo er anfangs auf der Einwandererinsel Ellis Island „Displaced Persons“ aus Europa festhielt. Berührend das kleine Mädchen, das erschöpft vor einem Stapel Koffer schläft (10.000 €). Die Schau zeigt auch mondänere Arbeiten: Marilyn Monroe bekam Haas auf dem Set von John Houstons Film „Misfits“ ebenso vor die Linse (12.000 €) wie den Regisseur selbst, der allerdings unter seiner Baskenmütze verschwindet (6500 €).

Haas blieb „Life“ als seinem Stammblatt treu, veröffentlichte dort auch sein wunderbares Stadtporträt „Images of a Magic City“ von New York in Farbe. Er erwies sich zu einer Zeit als glänzender Kolorist, als die Farbfotografie künstlerisch noch wenig geschätzt wurde. Meisterhaft fing er 1959 die Reflexionen der verglasten Wolkenkratzer und Spiegelungen in den Schaufenstern der bunten Großstadt ein. Eine Reportage zu einem Stierkampf in New Mexiko nutzte er für Bewegungsstudien, bei denen er bewusst verwackelte Unschärfen einsetzt. Bald begeisterte sich Haas, der auch Werbekampagnen für Marlboro gestaltete, für die weite amerikanische Landschaft. Die im Dye-Transfer-Verfahren hergestellten Aufnahmen von Nevada und Arizona in damals ungekannter Qualität kosten zwischen 5500 und 9000 Euro.

1962 war Haas der erste Künstler, dem eine Einzelausstellung mit Farbfotos im Museum of Modern Art in New York gewidmet war. In Österreich ist er bis heute ein Unbekannter geblieben.

„Momentum“, Wien 7, Karl-Schweighofer-Gasse 12, bis 29.11.


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