DiePresse.com

DiePresse.com | Kultur | Kunst | Artikel DruckenArtikel drucken


Galerien: In Patrick Swayzes Armen

01.10.2008 | 19:13 | NICOLE SCHEYERER (Die Presse)

„Horror vacui“ bei Layr Wuestenhagen, Linzer Kunststudenten „Aus Gnade und Verzweiflung“ bei Charim.

Zum Repertoire der Renaissancewunderkammern gehörten auch Basilisken, schreckliche Fabelwesen, halb Hahn, halb Schlange. Gewitzte Gelehrte nähten solche Monster aus unterschiedlichen Tieren zusammen und täuschten das Publikum. An diese Figuren lässt die Serie „Chimaken“ der Künstlergruppe Mahony in der Galerie „Layr:Wuestenhagen“ denken. Wie verschrumpelte kleine Flugwesen sehen die Objekte aus, die doch nur aus Kartoffelschalen bestehen. Eine Fülle an Dingen von möglichst exotischen Orten: Die Wunderkammermetapher passt gut zur Gruppenschau „Horror vacui“, mit der die Künstlerkuratoren Mahony Bezüge zur Kulturgeschichte des Reisens herstellen.

Die originellste Arbeit scheint zunächst ein Fake: Simon Faithfull hat für das Video „Escape No. 6“ einen Stuhl an einen Wetterballon gebunden und mit einer Kamera steigen lassen. Die rührend baumelnde Sitzgelegenheit fliegt über Land, bis die Erdkrümmung zu erkennen ist. Reisen im Kopf kultiviert Constantin Luser in seinen gezeichneten Mindmaps, Misha de Ridder nutzt in „Niagara“ Wasserdunst für ein hochästhetisches Landschaftsfoto. Die kleinen Flugzeugfotos, die Marius Engh mit Unterschriften kombiniert, machen neugierig: „Gulfstream“ nennt sich eine Flotte von Privatflugzeugen, die die CIA benützt; die Signaturen stammen von fiktiven Personen.

Verdeckte politische Botschaften vermittelt auch die Musik vom Plattenspieler: Christodoulos Panayiotou hat Musicalsongs gesammelt, die Wetterphänomene in Zusammenhang mit politischen Utopien bringen. Zum Hören der Songs kann man auf dem witzigen Lehnstuhl Platz nehmen, den Mahony mit Erdäpfeln gepolstert haben, und mit dem Finger auf dem ausgestellten Globus träumen.

Eine erfreuliche Ausstellung junger Kunst zeigt auch die Charim Galerie. Antonia Prochaska und Herbert Lachmayer haben für die Schau „Aus Gnade und Verzweiflung“ Studentenarbeiten aus der Klasse für experimentelle Gestaltung der Linzer Kunstuni ausgewählt. Woher kommt künstlerische Inspiration? Von der Gnade einer Gottheit oder aus der dunkel-drängenden Seite der Seele? Eine ironische Wende nimmt das Künstlerklischee bei Siegfried A. Fruhauf, der eine Computertomografie seines Hirns beim Nachdenken über ein Filmprojekt präsentiert. Und Martin Music lässt den Künstler als Narr der Gesellschaft von Luftballons in die Höhe heben.

 

Am Schluss: „Dirty Dancing Lift Machine“

Die Schau zeigt auch ein Video von Katharina Gruzei, die gerade den Ö1-Talente-Wettbewerb gewonnen hat: Eine saftige Watschen wird in „Dialoge“ so stark verlangsamt gezeigt, dass das Verhältnis zwischen den zwei gefilmten Frauen lange unklar bleibt. Auf Kitsch aus Film und Literatur beziehen sich Marlies Stöger, die Titel von Konsalik-Romanen zum Hörspiel verarbeitet, und Agnes Miesenberger, die Heimatfilme so zusammenschneidet, dass die überraschten Ausrufe der Heldinnen ziemlich obszön wirken. Und zum Schluss geht es noch mal in die Luft: Die Hebeplastik „Dirty Dancing Lift Machine“ lässt in den Armen von Patrick Swayze schweben.

„Aus Gnade und Verzweiflung“, Charim, Dorotheergasse 12/1, bis 18.10.; „Horror vacui“, Layr:Wuestenhagen, An der Hülben 2, bis 8.11.


© DiePresse.com