diepresse.com
zurück | drucken

29.12.2005 - Kultur&Medien / Medien
Meinung: Politische Pornografie
MICHAEL FLEISCHHACKER

Sollte dem arglosen Betrachter bisher nicht klar gewesen sein, was ihm der spanische Künstler Carlos Aires mit seinem Sujet "Love is in the air" sagen wollte, so weiß er es jetzt: dass sich Politik und Pornografie in den Mechanismen der Machtausübung nicht unähnlich sind. Das zeigt die von der Kronen Zeitung und einer aparten SPÖ-FPÖ-Koalition losgetretene "EU-Porno"-Debatte.

Dass der Bundeskanzler, der bisher gegen die populistischen Nötigungsversuche der Krone weitgehend resistent war, einen Rückzieher gemacht hat, ist enttäuschend. Dass die SPÖ, die sich seinerzeit in ihrer Rolle als Beschützerin der künstlerischen Freiheit vor den populistischen Mächten der Reaktion gefiel, jetzt die FPÖ in Sachen Anti-Kunst-Populismus überholen will, ist widerlich.

Den Hauptakteuren in dieser Debatte, vom Soft-Porno-Connaisseur Hans Dichand bis zum Teilzeitkulturpolitiker Josef Cap, geht es ebenso wenig um die Kunst und ihre Qualität, wie es in der globalen Politik um die Werte geht, die offiziell proklamiert werden. Es geht um die Anatomie der Macht, die durchaus die Züge politischer Pornografie annehmen kann. Das wollte Carlos Aires zeigen. Mit künstlerisch nicht besonders hochwertigen Mitteln, wie manche Experten meinen.

Mit Hilfe der freiwilligen Mitspieler ist es ihm am Ende doch noch prächtig gelungen.

chefredaktion@diepresse.com

© diepresse.com | Wien