12.09.2002 18:41
Ein Messezentrum für Kulturflaneure
Dreitägiges Feiern zur Eröffnung des "quartier21" im Wiener
Museumsquartier
Das Museumsquartier ist - abgesehen vom Kindertheaterhaus, das
2004 seinen Betrieb aufnehmen soll - fertig gestellt: Drei Tage lang (ab
Freitag, 18.30 Uhr) feiert man die Eröffnung des "quartier 21". Dieses bietet in
zwei tunnelartigen "Themenstraßen" Vereinen und Kulturanbietern temporär
Unterschlupf.
Wien - Das Kindermuseum zoom ist ja nicht weit: Am Freitag senkt
Bildungsministerin Elisabeth Gehrer um 18.30 Uhr am Vorplatz des
Museumsquartiers die Startflagge zum "längsten Tretautorennen von Wien". Es wird
bis 16 Uhr des nächsten Tages dauern. Egal, ob's stürmt oder schneit. Danach
"Siegerehrung mit Sektdusche und Lorbeerkranz in Rennanzügen".
Für die
Teilnehmer (Anmeldung bei der "Rennleitung vor Ort") halten sich die Strapazen
aber in Grenzen: den Fischer-von-Erlach-Trakt der ehemaligen Hofstallungen in
einem der drei Boliden entlangstrampeln, wenden und wieder zurück. Im barocken
Gemäuer soll unterdessen die Post abgehen: Party, Grandmaster Flash, Mullatschak
mit Gulaschsuppe, Barack und Wodka, Modeschau, Vernissage und Symposion stehen
angesichts der Eröffnung des 'quartier 21' am Programm.
Wenn's wahr wird:
Bei der Pressekonferenz am Donnerstag herrschte noch ziemlich tote Hose. Denn in
den beiden "Straßen" - 'Electric Avenue' und 'transeuropa' - waren die
Bauarbeiten erst kurz zuvor beendet worden: Man wischte noch den Boden. Die
künftigen "Partner" hatten daher keine Möglichkeit, sich in ihren Kojen
einzurichten.
Als 'quartier 21' bezeichnen MQ-Chef Wolfgang Waldner und
Vitus H. Weh, der das Konzept (mit-)entwickelte, all jene Flächen des Areals,
die nicht fix an Institutionen vergeben sind. Zu diesen zählen die
Künstlerateliers im rückwärtigen Ovaltrakt, die hellen Kulturbüros im Mezzanin
bzw. ersten Stock der Erlach- Trakts. Und ganz besonders die Flächen im
Erdgeschoß:
Ein 400 Meter langes Tonnengewölbe, das vom Volkstheater bis
zur Mariahilfer Straße durchlaufen werden kann. Es beinhaltet Lokale ('MQ
Kantine' und 'Tankstelle'), die Arena für Veranstaltungen, eine Buchhandlung,
das Ticket Center und eben die beiden Themenstraßen, in denen sich die "Partner"
präsentieren: temporär, befristet auf zwei Jahre, mit Möglichkeit auf
Verlängerung.
Von den ehemaligen "Drittnutzern", die bei der Besiedelung
des Areals die Vorhut gebildet hatten, fehlen aber einige: 'public netbase'
verzichtete auf das Angebot, einen großen Saal zu bespielen. Das 'Depot',
während der Renovierungsphase in die Breite Gasse ausgewichen, wird finanziell
ausgehungert - und hat kein Geld, den alten Standort wieder in Beschlag zu
nehmen: Er steht einfach leer. Und die basis wien, weiterhin mit massiven
Budgetproblemen konfrontiert, kann erst im Oktober einziehen: Ihr Raum war als
Lager verwendet worden.
Lokaler Kulturbasar
Die anderen
"Partner" durften am Donnerstag zumindest Tischchen mit Info-Materialien
aufstellen. Was eine basarartige Stimmung hervorrief. Man könnte auch sagen: Es
ging zu wie auf einer Messe.
Der Mathematikerverein math.space (im
Ovaltrakt untergebracht) verblüfft mit einer Spiegelpyramide, die ein
sphärisches Dreieck zu einem Dodekaeder anwachsen lässt. Und die
Ex-"Bundesländerplattform", die als A9 im transeuropa-Bereich Heimat fand, zeigt
Fotos von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreichs: Wien, Kärnten und das
Burgenland verzichteten auf eine Teilnahme, die anderen sechs Bundesländer
steuern je 22.000 Euro pro Jahr bei, und der Staatssekretär, der eine eigene
Pressekonferenz gab (nur für handverlesene Journalisten), verdoppelt die
Summe.
In die Architektur der beiden Flaniermeilen investierte die
MQ-Errichtungsgesellschaft rund 1,1 Millionen Euro (abgesehen von der
Basissanierung der Hallen): Der enttäuschend kleine 'transeuropa'- Bereich wurde
vom Team AllesWirdGut gestaltet, die mit dem Tonnengewölbe auf Konfrontation
gehende 'Electric Avenue' vom Duo PPAG Popelka und Poduschka. In der
Grundkonzeption her sind sie sich sehr ähnlich: Von den ebenerdigen "Straßen"
aus gelangt man über Treppen zu eingezogenen Zwischengeschoßen mit den Büros.
Diese "spektakuläre Pavillonstruktur" (laut Presseaussendung) verstärkt noch den
Tunnelcharakter und ist aus Gründen des Denkmalschutzes an keiner Stelle mit der
barocken Bausubstanz verbunden.
Aufnahme in die Durchzugsstraße
'transeuropa' fanden der 'KulturKontakt', der sich bekanntlich um Kontakte zu
Künstlern in Südosteuropa bemüht, die Friedrich-Kiesler- Stiftung, der Moderaum
'Found For You' der Designer Wendy & Jim und der Secondhandladen
'polyklamott'.
Im Mittelpunkt der zweiten Themenstraße stehen
"elektronische Lebensaspekte". Sie werden unter anderem von Labels für
elektronische Musik, Initiativen für Videokunst, Netzaktivismus und Futurologie
repräsentiert und nennen sich 'institut fünfhaus', 'Medienquartier 21',
'monochrom', 'quintessenz' und 'Spoiler'. Das 'quartier 21' ist täglich von 10
bis 22 Uhr geöffnet. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2002)