Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Galerien live

Jenseits von Gut und Billy

Aufzählung (cai) Ob das dieses ominöse "Ikea" ist, die schwedische Kunst des Bretterzusammenschraubens? (Nicht zu verwechseln mit dem Ikebana, der japanischen Kunst des Blumensteckens.) Die vier Burschen jedenfalls, die dieses Werk vollbracht haben (ein überwältigendes Ding jenseits von Gully und Böse, pardon: "jenseits von Gut und Billy" wollt’ ich schreiben), die besitzen bestimmt den schwarzen Gürtel. (Ach, gibt’s den nicht nur beim Kung-Fu?) Und sie nennen sich sicher nicht zufällig "Shaolin". Äh, eigentlich "Gelitin".

Okay, ihr Bauwerk ist nicht das achte Weltwunder (vielleicht nicht einmal das siebenkommafünfte), doch womöglich die zweitwaghalsigste Holzkonstruktion seit dem Trojanischen Pferd. (Die waghalsigste ist ja garantiert das Opus magnum vom Hans Schabus, der 2005 den Österreich-Pavillon in Venedig in einen rustikalen Berg für Indoor-Alpinisten, also für Stiegensteiger, umgebaut hat.) Und was haben sie denn nun gebastelt? Eine gewaltige, repräsentative Treppe, die uns die Galerie Meyer Kainer aus einer neuen, schwindelerregenden Perspektive erschließt. Mit jeder knarrenden Stufe steigt die Ehrfurcht vor der Leistung der Erbauer und steigt der Adrenalinspiegel, weil das Ganze ja so kriminell aussieht, als könnte es jeden Moment .. . ächz-knacks-rumms.

Die dürften denselben schrägen Humor haben wie der Arcimboldo. Nur dass sie halt kein Obst und Gemüse aufhäufen und behaupten, das wäre ein Gesicht, sondern Tische, Sessel und Kästen stapeln und am Ende eine elegante Stiege herauskommt. Wie sich hier die architektonische Ordnung triumphal aus dem Sperrmüllchaos erhebt, ist atemberaubend. Doch warum tun die Burschen das überhaupt? Na ja, wieso bohren Yogis mit der großen Zehe in der Nase? Weil sie es können.

Galerie Meyer Kainer
Eschenbachgasse 9
Palais Keiner Mayer
Bis 16. Jänner
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr

Beim Barte des Diktators

Aufzählung (cai)Quadrate sind eben ziemlich beliebt. Kein Wunder, der Schinken-Käse-Toast ist schließlich auch eins. Und der Jiøí Kovanda mag die Quadrate sichtlich ebenfalls. (In seinen subtilen Collagen.) Einmal macht er gar einen minimalistischen Witz über sie. Zuerst lässt er das legendäre "Schwarze Quadrat" vom Malewitsch so stark schrumpfen, bis es geradezu lächerlich ausschaut. Dann setzt er es auf einem weißen Blatt Papier aus, dass man beinah schon Mitleid mit dem viereckigen Zwutschkerl hat, und nennt das Opus frech "Hitleruv knír" (Hitlers Schnurrbart). Das Adolf-Bärtchen war ja tatsächlich irgendwie quadratisch. (Oh, ein komplett leeres Blatt hieße demnach: "Hitler, rasiert.") Also ich hab mich köstlich amüsiert. Über Kovandas konzeptuelle Erotik allerdings weniger. Da spielt er ein bissl mit der Zensur und der Schaulust. Rein formalistisch. Immerhin zieht er das konsequent durch.

Galerie Krobath
Eschenbachgasse 9
Jiøí Kovanda
Bis 16. Jänner
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr

Auch Krawatten erröten

Aufzählung (cai)Es ist natürlich naiv zu glauben, der Bildtitel würde einem das Bild erklären . Wenn Ákos Birkás ein Spiegelei malen und darunterschreiben täte: "Mona Lisa", wär’ das ja keine Herausforderung (ein Vifzack wüsste sofort: Aha, der meint: Leonardo war homosexuell). Drum malt er lieber einen schlafenden Politiker auf einem grünen Sofa und nennt es: "Weißes Quadrat." Ach so, der weiße Vorhang im Hintergrund ist das Quadrat. Auf dem Bild "Rotes Quadrat" freilich ist das einzige halbwegs Rote eine Krawatte. Und die ist pink. Die Titel hat der Birkás übrigens alle geklaut. Vom Malewitsch. Und jetzt heißen seine Werke (Pressefotos, in süffige Malerei übersetzt) eben wie Klassiker der Avantgarde. Fühlt er sich deshalb zum Malewitsch so hingezogen, weil er sich selber so schwer zwischen dem Realismus und der Abstraktion entscheiden kann?

Knoll Galerie Wien
Gumpendorfer Straße 18
Ákos Birkás
Bis 6. Februar
Di. – Fr.: 13 – 19 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 13. Jänner 2010
Online seit: Dienstag, 12. Jänner 2010 16:20:00

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.
Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at