Salzburger Nachrichten am 17. Juni 2006 - Bereich: Kultur
Ein Spiel gegen die Regeln

Sie treten im Kollektiv auf und stellen in ihren Shows den Mechanismen unserer Wahrnehmung Fallen: Die Präsidenten der Sommer-szene '06 heißen Superamas.

CLEMENS PANAGLSALZBURG (SN). "Dann wissen Sie ja alles, und wir können wieder gehen!" Die Delegation des Künstlerkollektivs Superamas setzt beim SN-Interview ein kollektives Grinsen auf, während sie sich aus dem Folder der Salzburger Sommerszene die Vorschau auf ihre Performance "BIG, 3rd Episode" übersetzen lässt. "Süße ironische Abenteuer" werden da in Aussicht gestellt, sowie das Versprechen, dass "Superamas erneut den naiven Glauben an das Authentische mit Witz und Sexappeal als größte Fälschung entlarven".

"Witz und Sexappeal? Aber sicher!", erklärt die Abordnung des Kollektivs, dessen Mitglieder auf Anonymität Wert legen und nur beim Familiennamen Superamas genannt werden wollen, mit süß-ironischem Lächeln. Superamas haben leicht lachen. Wie soll man auch etwas Gültiges schreiben über eine Truppe, die in ihren Arbeiten gerade die Gültigkeit jeder Wahrnehmung in Frage stellt?

In Performances wie den ersten zwei Episoden der Trilogie "BIG" sammelten sie Klischeebilder aus der bunten Medienwelt und fügten ihnen subtile Risse zu, indem sie Szenen aus Realityshows, Werbespots oder Seifenopern durch Wiederholung überzeichneten und deren Botschaften durch minimale Eingriffe ins Gegenteil verkehrten.

Als Präsidenten der 20. Sommerszene sind Superamas in Salzburg mehrfach präsent. Mit der Performance "Casino" wird das Festival heute, Samstag, eröffnet: Das "Superamas Cheerleading Team" hat seinen Auftritt dabei in den Kulissen der Ausstellung "Sex in the City" (Kunstverein, bis 9. Juli). Und mit der "3rd Episode (Happy/End)" geht am 28. und 29. 6. die "Big"-Trilogie zu Ende.

Was die unterschiedlichen Superamas-Arbeiten verbindet? "Uns geht es immer um das Spiel mit Regeln, also darum, Regeln aufzustellen und dann im Lauf des Spiels zu hinterfragen. Und wir sind geradezu besessen von Fragen nach der Wahrnehmung: Was ist es, was ich wahrnehme? Wir sitzen uns hier zum Interview gegenüber, aber die Wahrnehmung unseres Gegenübers ist von so vielen Faktoren beeinflusst, physikalischen, chemischen, sprachlichen - alle diese Daten konstruieren eine unglaublich komplexe Realität."

Um diese Komplexität bloßzulegen, bedienen sich Superamas verschiedenster Stilmittel: "Unsere Mitglieder kommen vom Film, vom Design, von der Musik, vom Tanz, aus der Theorie. So bleibt unser Ansatz flexibel - ob aus einer Idee nun eine Performance wird, eine Ausstellung, oder eine Fotoserie.""Wir sind Künstler, keine Priester" Tanztheater allein wäre einem Superama zu wenig. Zur Gründung der Gruppe habe 1998 "die Unzufriedenheit mit dem, was wir damals als Künstler taten", geführt. Statt sich in abgegrenzten Genrebezirken zu bewegen, "waren wir heiß darauf, uns mit den Dingen zu beschäftigen, die unseren Alltag so mächtig bestimmen".

In "Casino" sind es die stereotypen Aufreizposen eines Cheerleading Teams, die im Lauf der Show plötzlich Abgründe offenbaren könnten. Ein Aufklärungsstück über Rollenklischees und gegen den Alltagssexismus? "Wir spielen mit den Reizen der Cheerleader. Sie sehen toll und aufreizend aus. Aber: Ist es sexistisch, das zu sagen? Einerseits hassen wir es, Menschen auf bestimmte Rollen zu reduzieren, aber gleichzeitig sind wir selbst diesen Mustern der Verführung unterworfen. Wir sind Betroffene, aber wir sind auch glückliche Konsumenten. Als Künstler stellen wir uns nicht hin, um zu sagen, ob das nun gut oder schlecht ist. Wir sind keine Priester. Wir betrachten die Welt nicht von oben herab, wir sind mittendrin. Also urteilen wir nicht, wir wollen die Dinge nur an die Oberfläche holen und offen legen."

Zu diesem Zweck macht sich die Superamas-Ästhetik zwischen Glitzerpop und Intellektuellenfilm, Tanz und MTV-Clip alles zu eigen, was gerade ins Konzept passt. "Post-Art" hat ein Kritiker das einmal genannt. Kunst oder Entertainment - die Frage stellt sich indes für Superamas nicht: "Das breite Spektrum an Formaten, in denen wir arbeiten, ist fordernd. Aber es soll nichts Schweres dabei entstehen. Oft funktioniert der Denkkreislauf doch so: Etwas ist schwer, und weil es schwer ist, ist es ernst, und weil es ernst ist, ist es Kunst. Diese Gleichung wollen wir durchbrechen."Sommerszene '06: 17. Juni bis 15. Juli 2006, Programm: www,sommerszene.net