06.08.2003 19:06
Ein Galerist der Weltgeltungskünstler
Karsten Greve begann Ende der 60er, mit Kunst zu handeln. Höchst
erfolgreich: Seine Galerie gründete er vor nun 30 Jahren - Foto
Köln - Wo früher der Auktionator Van Ham den Hammer sinken ließ,
kann der Galerist Karsten Greve, Jahrgang 1946, seit zwei Jahren an der Kölner
Drususgasse geradezu museale Raumverhältnisse bieten. Zuletzt Louise Bourgeois,
deren galeristischer Korrespondent er in Europa ist. Erst im Schatten der
Männergesellschaft, habe sich ihr Oeuvre in dieser intensiven Form entwickeln
können. Und natürlich hätten die deutschen Museen Louise Bourgeois noch immer
nicht entdeckt, sagt Greve, ein Freund klarer Worte.
Wenn der
Weltgeltungsgalerist seine Künstler zeigt, die in der Regel Weltgeltungskünstler
sind, zeigt er Konzentrate. Künstler in einer zumindest europäisch
dimensionierten Galerie - mit Dependancen in Paris, Mailand und St. Moritz. Die
Schweiz, natürlich Basel. Die US-Sammler bedienen sich bei der Art Basel
zuweilen eines Tricks: ein Ausstellerticket am Revers, gleichsam die
Pre-Pre-Preview vor der offiziellen Hatz auf die Spitzen der Greve-Offerte! Mit
Cleverness und Gottes Hilfe den ersten roten Blick-Punkt setzen auf Twombly und
Kounellis, Lucio Fontana und Jean Dubuffet, Piero Manzoni und Louis Soutter,
Beuys und Graubner!
In Basel bildet Amerika die zweitgrößte
Anbietergruppe. Kölns Art Cologne ziele ohnehin auf das europäische Spektrum,
zunehmende Teilnehmerstraffung inbegriffen, für die Greve als Sprecher des
Zulassungsausschusses rigoros qualitätsorientiert plädiert hat. Eine Tätigkeit,
die mit 2003 vertraglich endet, nach sechs intensiven Jahren. Die derzeitige
Kauflähmung am deutschen Kunstmarkt umschreibt er mit "emotionaler Befangenheit"
und weiß um dieses im Grunde "irrationale Phänomen", eine Stimmung, die weder
Zufriedenheit noch Aufbruch signalisiere.
Und wie der eigene Aufbruch
aussah? In Berlin aufgewachsen, studiert Greve in Köln und Lausanne Jus und
Kunstgeschichte und entscheidet sich mit 23 für das Denken mit den visuellen
Sinnen. Er sammelte bereits als Student (1966 das erste Blatt von Cy Twombly),
schaute den Galeristenlegenden Änne Abels und Alfred Schmela über die Schulter.
Auf der Art Basel 1973 begnügte man sich noch mit selbst gebastelter
Kojenbeleuchtung und dem VW-Bus als Kunst-Vehikel - indes: Drei Kojenwände mit
Zeichnungen von Paeffgen, Hockney und Twombley wurden komplett
verkauft.
Bereits 1973 überraschte er den Kunstbetrieb mit den
Körperabdrücken Yves Kleins - ein Youngster im Ausstellungsschatten des
gewichtigen Düsseldorfer Kleingaleristen Alfred Schmela. Anno 2003 heißt es also
30 Jahre Galerie Greve: "Es ging damals allein darum, die eigenen Ausstellungen
durchzusetzen. Von der heutigen Subventionsmentalität junger Galerien keine
Spur. Im aktuellen Messegeschehen kommt es zum riesigen Protest-Tanz, wenn den
Jungen nicht irgendjemand irgendetwas bezahlt. Die Leute verlassen heute mit
wunderbaren Zeugnissen die Uni, aber die Risikobereitschaft ist gleich null,
oder das Risiko muss extrem bezahlt werden. Das irritiert mich schon
sehr."
20.000 Bilder verkauft
1970 verkündete
Greve, dabei von nicht wenigen belacht, dass für ihn Twombly, Kounellis, de
Kooning, Cornell, Polke und Palermo die Größten sind. Recht behalten hat er.
Mittlerweile sind ein Drittel aller Twombly-Arbeiten durch Greves Hände
gegangen, ebenso von Fontana und Manzoni. Weit über 10.000 Arbeiten, die er
gehandelt hat, liegen heute in sechs- bis achtstelligen Sphären. Greve: "In den
30 Jahren habe ich sicher über 20.000 Bilder verkauft."
Den
österreichischen Kunstmarkt nimmt er mit zunehmendem Interesse wahr: "Österreich
hat sich sehr positiv entwickelt. Die Aktivitäten auf dem Kunstsektor gehen
inzwischen von den Galerien selber aus, nachdem diese jahrelang vom Staat bis zu
80 Prozent subventioniert wurden. Auf den Messen war das eine harte Konkurrenz,
allein schon angesichts eines enormen Equipments. Das Museumsquartier hat nicht
minder wichtige Impulse gesetzt."
Und die Atmosphäre des heutigen
Kunstmarkts insgesamt? Den "Zirkus" der Biennalen empfindet Greve als "ziemlich
unerträglich", der neugierige Kunstliebhaber werde in den Galerien zunehmend
vermisst. "Die Mediengesellschaft mit ihrer Pseudoinformationsvielfalt und
Oberflächlichkeit hat einen erheblichen Qualitätsverlust verursacht. Die Suche
nach dem gemeinsamen Nenner ist wohl meist die nach dem dümmsten und
niedrigsten."
Greve geht davon aus, "dass wir zukünftig im Kunsthandel
internationale Zusammenschlüsse größeren Ausmaßes sehen werden. Ich erwarte
dieses Fusionssystem." Das heute schon gängige Partnersystem vieler englischer
und amerikanischer Galerien kommt nicht nur in Deutschland zum Zuge.
Französische Händler haben über Jahrzehnte gewichtige Werke zusammen finanziert.
Nicht minder wurden Verträge mit Künstlern aufgeteilt. Die Fusion im
internationalen Rahmen habe nicht zuletzt mit der zunehmenden
Marktunterlegenheit der EU gegenüber der Schweiz und der USA zu tun. Denn das
Folgerecht, die höhere Umsatz- und Mehrwertsteuer verursachten eine
Marktunterlegenheit von über fünf Prozent.
(DER STANDARD, Printausgabe,
7.8.2003)