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Kunstberichte

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Magnetepetete

Aufzählung (cai) Max Spohn hat sicher Chancen, ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen. Denn da schaffen es ja hoffentlich nicht nur Personen hinein, die Gläser zerrülpsen oder die aus einem Kuheuter in zwei Minuten mehr Milch herausholen als wir Normalsterblichen Ketchup aus einer Magnumketchupflasche. Da müsste doch noch ein Platzerl frei sein für den frühreifsten Museumsdirektor. Der ist erst 13 und besitzt immerhin knapp 800 Meisterwerke, darunter die Mona Lisa.

Äh, wer sollte ihm denn die Mona Lisa ausgehändigt haben? Na ja, irgendwer aus dem Louvre vermutlich. Seine Methode: Er (oder ein Mitarbeiter) spaziert zum Beispiel in die Uffizien hinein, zeigt auf Botticellis "Geburt der Venus" und sagt: "Das nehm’ ich." Gut, das macht er im Museums shop , dort, wo’s die Kühlschrankmagneten gibt (die mit den alten Schinken drauf). Und der Name seines Magnetmuseums? Mamu? Nein: Look. Oh, das reimt sich ja auf Louvre! (Bei den alten Germanen jedenfalls.) Das Gebäude ist angenehm funktional, die Säle sind quasi wie Schuhschachteln ohne Deckel, und hinter den bunten Tapeten ist Eisen versteckt, damit die Magnetbilder halten.

Leider wurde das didaktisch wertvolle Look bei der Eröffnung missverstanden. Als Spielzeug, als Puppenhaus. Einer hat gar den Arcimboldo um 180 Grad gedreht. (Das muss das Baselitz-Syndrom sein, die Zwangsstörung, Bilder verkehrt aufhängen zu müssen.) Doch weil der Museumswärter einen Gipshaxen gehabt hat, hat er den Bildergrapschern nie auf die Finger klopfen können. Eine Chefkuratorin gibt’s auch: Sabine Fürnkranz. "Und unser großes Projekt für die Zukunft: die lange Nacht der Museen." (Ein Direktor mit Visionen.) Also eh ein richtiges Museum. Und Diebe hätten eine gute Ausrede (wegen der allgegenwärtigen magnetischen Anziehungskraft): "Da Picasso is plötzlich auf mei’ Armbanduhr g’sprungen wie ein Dogo Argentino."

Kunst-Service
(St. Elisabeth-Platz 6)
Look Magnetmuseum
Bis 27. März
Mo. – Fr.: 10 – 18 Uhr
Sa.: 10 – 16 Uhr

Wohnen ist vergänglich

Aufzählung (cai)Ob Ruinen romantisch sind, das ist sowieso relativ (besonders jetzt, wo ich hier im Gebäude der "Wiener Zeitung" wegen der geografischen Nähe zum Südbahnhof dessen penetrantem Schwanengesang lauschen muss, also dem Hämmern und Bohren der Baumaschinen, die den Bahnhof demolieren). Die Erosionsfantasien von Stephan Hafner sind aber eh mehr beschaulich als sadistisch. Pittoreske Abbruchhäuser aus Karton, die durch ihre Detailversessenheit faszinieren. Und weil sie auf abenteuerlich fragilen Sockeln balancieren, dass man sich ihnen so schüchtern nähert wie einem Kartenhaus, kommen sie einem noch viel vergänglicher vor. An den Wänden rundum: Bilder von Richard Jurtitsch. Zitate aus der Kunstgeschichte geistern wie Fata Morganen in der Realität herum. Schaut aus wie in Malerei übersetzte Doppelbelichtungen. Ist das eine formale Spielerei (um Malbravour zu demonstrieren) oder will uns das was ganz Tiefsinniges sagen?

Galerie Lang Wien
(Seilerstätte 16)
St. Hafner / R. Jurtitsch
Bis 5. März
Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 16 Uhr

Auf dem Hügelgrab

Aufzählung (cai)Seine Muse ist der Berliner Teufelsberg, dieses Hügelgrab für Albert Speers Wehrtechnische Fakultät. Über dem Rohbau dieser Naziarchitektur hat man nach dem Krieg ja den Schutt der zerbombten Stadt aufgehäuft. Und später betrieben die Amerikaner auf dem Trümmerberg eine Abhörstation. Diesen historisch markanten, desolaten Ort hat Marius Engh nun fotografisch erkundet, um sich von schäbigen Details zu lapidaren Skulpturen inspirieren zu lassen. Das Gitter eines Kellerfensters wird zum selbstgenügsamen Rasterobjekt. Und Bodenplatten verlegt er nicht brav, sondern wirft sie auf einen Haufen. Ohne diesen ganzen Hintergrund sind die Sachen aber ziemlich banal.

Layr Wuestenhagen
(An der Hülben 2)
Marius Engh
Bis 13. März
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 16 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 24. Februar 2010
Online seit: Dienstag, 23. Februar 2010 18:15:00

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