text breit  text schmal  
drucken 
Bilder keine Bilder

derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
02. Oktober 2009
18:07 MESZ
Wenn der Keil ins Spiel kommt
Die Gruppe "tat ort" arbeitet stets am Schnittpunkt von Architektur, Kunst und urbanem Raum und mit den Qualitäten von Durchgangs- und Zwischenräumen: aktuell für Brut und im Kunstraum Niederösterreich

Wenn der Keil ins Spiel kommt

Die Gruppe "tat ort" arbeitet stets am Schnittpunkt von Architektur, Kunst und urbanem Raum und mit den Qualitäten von Durchgangs- und Zwischenräumen: aktuell für Brut und im Kunstraum Niederösterreich.

 

Anne Katrin Feßler


Wien - Als sogar ihre Freunde bei der Eröffnung der Ausstellung gefragt haben, wo sich ihr Projekt versteckt, wussten Wolfgang Fiel und Alexandra Berlinger von "tat ort" , dass ihnen die angestrebte "Beiläufigkeit" tatsächlich gelungen ist.

Im Kunstraum Niederösterreich haben sie eine Wand sachte aus dem Lot gebracht: Licht schimmert geheimnisvoll durch die entstandenen Ritzen und erzeugt Spannung wie Neugierde. Zentrales Hilfsmittel für diesen minimalen, kaum zu bemerkenden Kippeffekt in Shift ist ein Keil - ein simpler roher Holzkeil. Neben "tat ort" waren noch fünf weitere Künstlerinnen und Gruppen zum Projekt Fortsetzung folgt (Kuratorin:Katrina Petter)eingeladen, um bereits bestehende Kunst im öffentlichen Raum für einen Innenraum weiterzudenken, sie zu kommentieren oder auch zu transformieren.

Shift, das unauffälligste, aber mit Abstand überzeugendste und stringenteste Projekt der Ausstellung, bezieht sich auf ein Projekt von Lois und Franziska Weinberger: Im St. Pöltner Skulpturengarten gedeihen in 1500 Töpfen Ruderalpflanzen, landläufig auch als "Unkraut" bezeichnet. Eine Arbeit, die den Blick verschiebt, Unorte wie die Brache in den Fokus setzt, die "festgefahrene Strukturen oder etablierte Übereinkünfte durchbricht und Raum für Unwägbares oder Unkontrolliertes zulässt" , fassen Fiel und Berlinger jene Interessen zusammen, die sie mit den Weinbergers verbinden. "Sie finden für ihre Themen eine Form, die durch ihre Beiläufigkeit zur vollen Entfaltung kommt." Die Herausforderung war, eine diesem Prinzip folgende Gestalt zu finden, die "tat ort" entspricht:Auch ihr Eingriff will "kultivieren, was gern übersehen wird. Durch eine kleine und in unserem Fall wortwörtlich zu verstehende Verdrehung und Unterwanderung der Realität" wird ein Raum verschlossen und durch einen Shift wieder geöffnet.

"Die Wand ist bei uns immer wieder ein Thema" , erzählen der Architekt und die Künstlerin, die nicht nur die Wand als Oberfläche interessiert, sondern das daran geknüpfte Dahinter oder mögliche Dazwischen: "Wir wollten zunächst einen versteckten Raum herstellen." Ein Plan, der nun bei ihrer jüngsten Installation für X Wohnungen (siehe rechts) umgesetzt wurde: Dort wird dieser Zwischenraum akustisch aktiviert. In ihrer Geschichte von Herrn P. kommt ihm zudem eine dramaturgische und zeitliche Dimension zu.

"Auch der Keil ist ein wiederkehrendes Element" , schmunzeln "tat ort" und präsentieren ein bauliches Detail ihres Vogelhaus-Containers am Karlsplatz, der jüngst während des zehntägigen Festivals Paraflows ihre Wohn- und Arbeitsstätte war. For the birds führte ihr Projekt in der Bregenzer Achsiedlung (2008), einer konfliktbeladenen Wohnbausiedlung, unter umgekehrten Vorzeichen fort: Statt die im Außenraum - zumeist von den Jugendlichen vor Ort - produzierten Geräusche über Mikrofone in ihren Wohnraum zu transportieren, sendeten sie nun selbst in den öffentlichen Raum hinaus:"Über den Klang dehnten wir unsere Privatsphäre von 14 Quadratmetern auf einen Aktions- und Wirkradius von 40 bis 50 Metern aus" .


Ausstellung "Fortsetzung folgt" ,bis 3. 10.; Symposium zur Kunst im öffentlichen Raum u. a. mit Turner-Preisträger Jeremy Deller, heute, Fr, 12-24 Uhr, www.publicart.at


Nur ein Hilfsmittel, aber ein effektives: Der Keil bringt in der Arbeit "Shift" eine Wand dezent und beiläufig ins Kippen und sorgt für spannungsvolle Zwischenräume und Neugierde auf das Dahinter. Foto: Hendrich

 

 

 

Diesen Artikel auf http://derstandard.at lesen.

© 2009 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.