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Kunstberichte
Die größte Wassily-Kandinsky-Retrospektive seit Jahrzehnten lockt in München mehr als 200.000 Besucher an

Aromatisches Blau, scharfes Gelb

Kandinsky ordnete den Farben Sinneseindrücke zu, der Farbe Blau etwa die Eigenschaften "weich" und "aromatisch", der Farbe Gelb hingegen "scharf". Im Bild: "Komposition IX", 1936. Foto: VG Bild-Kunst, Bonn

Kandinsky ordnete den Farben Sinneseindrücke zu, der Farbe Blau etwa die Eigenschaften "weich" und "aromatisch", der Farbe Gelb hingegen "scharf". Im Bild: "Komposition IX", 1936. Foto: VG Bild-Kunst, Bonn

Von Marie von Baumbach

Aufzählung Er gilt als einer der Begründer der abstrakten Malerei, als wesentlicher Erneuerer der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts: Wassily Kandinsky (1866-1944). Dem Künstler ist derzeit eine Ausstellung im Lenbachhaus München gewidmet, die bereits mehr als 200.000 Besucher in die städtische Galerie gelockt hat.

Die Schau mit dem Titel "Kandinsky – Absolut. Abstrakt" läuft noch bis 22. Februar, sie umfasst 95 Gemälde und deckt chronologisch die grundlegenden Perioden des Gesamtwerkes von 1907 bis 1942 ab, lediglich das Frühwerk wurde weitestgehend ausgelassen. Seit mehr als 30 Jahren gab es weltweit keine Kandinsky-Retrospektive dieses Umfangs.

Übermächtiger Eindruck

Die Sammlungsschwerpunkte der drei beteiligten Partnermuseen ergänzen einander auf ideale Weise: Das Lenbachhaus steuert 15 Bildnisse aus der berühmten Kollektion der Zeit des "Blauen Reiters" (1908-1914) bei, die aus der Schenkung Gabriele Münters stammen. Aus dem Centre Pompidou kommen 18 Bilder, die den Schwerpunkt auf Kandinskys Schaffen während seiner Zeit in Russland (1915-1921) und am Bauhaus (1917-1933) legen; zudem sind da die wichtigen Werke der späten Pariser Periode, gestiftet von Nina Kandinsky.

Dank der Ankäufe von Solomon R. Guggenheim und Hilla Rebay ist schließlich Kandinskys Spätwerk der Pariser Jahre (1933-

1944) aus dem Guggenheim Museum in New York mit 26 Werken vertreten. Die drei Sammlungen bilden den Kern der herausragenden Schau; ergänzt wurden sie durch wichtige Leihgaben aus europäischen, amerikanischen und russischen Kunstsammlungen.

Ausgewählt wurden vor allem großformatige Bildwerke, die Kandinsky zu Lebzeiten selbst bevorzugt ausgestellt hat und die für seine künstlerische Entwicklung entscheidend waren.

Der Besucher bekommt (unterstützt von kostenlosen Audioguides) einen fast übermächtigen Eindruck der vielen Facetten von Kandinskys Malerei. Die Ausstellung setzt mit den sogenannten Märchenbildern "Das Bunte Leben" und "Reitendes Paar" von 1906/07 ein, zeigt die Reihen der "Impressionen", "Improvisationen" und "Kompositionen" mit ihren strahlenden Farben bis hin zu den schwerelos scheinenden geometrischen Formen, erklärt Kandinskys Beschäftigung mit Linie, Dreieck, Rechteck und Kreis in der Weimarer Bauhauszeit.

Auch konkrete politische Anspielungen wie "Entwicklung in Braun" von 1933 faszinieren. Von den Nazis als "entartet" angesehen, emigrierte Kandinsky nach Paris. Dort kehrten die Farben in sein Werk zurück, in mikrobenhaften, organischen Strukturen, in Rosa, Violett, Türkis und Gold.

Wer sich von der Vincent-van-Gogh-Großausstellung in der Albertina erholt hat, dem sei Wassily Kandinsky in München ans Herz gelegt. Die Gemäldeschau wird ergänzt durch das gesamte druckgrafische Werk des Künstlers. Auch die Sammlung des "Blauen Reiters" ist noch zu sehen, bevor das Lenbachhaus Ende Februar für drei Jahre wegen Renovierung geschlossen wird.

Aufzählung Ausstellung

Kandinsky – Absolut. Abstrakt

Lenbachhaus, München bis 22. Februar 2009

Printausgabe vom Donnerstag, 05. Februar 2009


Kommentare zum Artikel:

08.02.2009 erholung pur!
verstehe ehrlich gesagt die anspielung in sachen van gogh schau in der albertina nicht ganz. wieso sollte man sich davon "erholen" müssen? ich für meinen teil hab die ausstellung jedenfalls sehr genossen und wünsche mir auch in zukunft mehr solcher projekte in diversen museen. muss gestehen, dass ich kein großer kandinsky-fan bin, doch in sachen kulturaustausch deutschland-österreich sorgt mit gerhard richter ja ein deutscher maler in wien gerade für furore - ebenfalls in der albertina. das ist für mich erholung pur!
Marian W.
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