Salzburger Nachrichten am 19. Juni 2006 - Bereich: Kultur
Weltbilder in Porno-Posen

Mit der Wanderperformance "Casino Salzburg" von Superamas begann am Samstag die Sommerszene

CLEMENS PANAGLSALZBURG (SN). Nein, sehr sexy sieht es nicht gerade aus, wenn die vier Herren, deren T-Shirts sie als Mitglieder der Superamas Dance Group ausweisen, sich unbeholfen neckisch auf dem Boden räkeln und rhythmisch ihre Becken auf und ab bewegen. Muss es ja auch nicht. Die Männer erteilen in dieser Szenerie bloß die Befehle. Das Aufreizen und Anheizen wird von vier Cheerleader-Mädchen übernommen. Und die sind nicht nur mit allen Erregung versprechenden Attributen aus dem Katalog der Männerfantasien ausgestattet, sie fordern mit fest ins Gesicht zementiertem Grinsen auch offensiv: "Have Fun! Fight! Win!"

Mit der Performance "Casino Salzburg" des französisch-österreichischen Kollektivs Superamas wurde am Samstag die diesjährige Salzburger Sommerszene eröffnet. Nicht im "republic", sondern im Kunstverein, wo bis 9. Juli auch die Ausstellung "Sex in the City" der umtriebigen Künstlergemeinschaft zu sehen ist. Der Titel dieser Schau ist Teil des Festivalmottos "Sex, Crime and the City", und Sex ist wiederum ein Zauberwort für die Beschreibung des Superamas-Oeuvres: Geht es doch in den meisten Arbeiten der sechs diesjährigen Sommerszene-Präsidenten (auch) darum, Geschlechter- und Rollenklischees in einer von verzerrten Idealbildern diktierten (Medien-)Welt zu entblößen.

In "Casino Salzburg" sind es die Abziehbilder des amerikanischen (Männer-)Traums, die durch eine seltsam verdrehte Welt geistern. Eben noch haben sie aggressiv Frohsinn propagiert. Und jetzt? Jetzt steht eine der vier Frivolitäts-Vermittlerinnen einsam auf der Bühne, lässt die U2-Ballade "One" klingen wie eine Lamento-Arie und die anderen rascheln traurig mit ihren Pompons. Dann wieder sind Superamas und die Cheerleader Akteure in einem Sexfilm, in dem nur gekuschelt wird, als gelte es, sich gegenseitig über die Kälte hinter den grellbunten Bildern hinwegzutrösten. Auf drei Bühnen werden in dieser multimedialen Performance Filmszenen zu Dialogen aus dem Off nachgespielt, Songs gesungen und Kartoffelchips verdrückt. Das Publikum steht mittendrin in dieser schein-heilen Welt und erwandert sich seine eigene Perspektive auf die Handlung, wenn die Cheerleader durch den Saal hüpfen oder eine plötzlich ihr Lachen abstellt und zur Mozart-Playbackarie ihren Schmerz herausschreit.

Bis aus den wie Bildfetzen eines durchgezappten Fernsehabends wirkenden Einzelszenen ein großes Bild entsteht, dauert es seine Zeit. Die Superamas-Philosophie, nichts zu erklären, sondern nur zu zeigen, lässt auch Platz für Leerraum und manches Fragezeichen. Aber wenn am Ende die Akteure in Porno-Posen zu Tableaux Vivants erstarren, ausgeleuchtet von gespenstisch flackerndem Licht, haben sich die Fragen längst verzogen. Den Bildern gehört in der Medienwirklichkeit alle Macht - und Superamas wissen hochvirtuos mit ihnen zu spielen. Zeitgleich zur Szene-Präsidentschaft ist im Verlag Imschoot das Buch "Superamas - Photo Performance" mit drei Fotoserien erschienen (148 Seiten).