Kontroverse um Max Rieder
Kunst und NS-Zeit. Eine Debatte um den Salzburger Künstler Max Rieder zeigt, dass zu schnelle Kategorisierung ungerecht sein kann.
Hedwig Kainberger Salzburg (SN). Das Bedauern über einen Untertitel zeigt, wie brisant ein Problem fast 70 Jahre nach seiner Entstehung sein kann. Es geht um das Kunstprojekt „Abgestellt?“ über Skulpturen aus der Zeit des Nationalsozialismus, die in Parks der Stadt Salzburg aufgestellt sind.
Studenten der Universität Mozarteum haben unter Leitung von Hildegard Fraueneder und Bernhard Gwiggner ein Wintersemester lang an dem Projekt gearbeitet, das vom Land Salzburg mit 7000 Euro subventioniert ist. Die Ergebnisse werden heute, Mittwoch, und morgen, Donnerstag, als künstlerische Interventionen im Kurpark und im Park des Landeskrankenhauses präsentiert und sollen zum Diskutieren einladen. Dies erläuterten die Projektleiter und Studenten am Dienstag in einem Pressegespräch in Salzburg. „Das grenzt an Rufmord“ Der Untertitel lautet „Skulpturen nationalsozialistischer Künstlerstars“. Die Studentinnen und Studenten haben sich dafür mit Werken von Josef Thorak, Fritz Klimsch, Max Rieder und Rudolf Alexander Agricola auseinandergesetzt.
Dass Max Rieder als „nationalsozialistischer Künstlerstar“ tituliert worden ist, empört seine Töchter, die zum Pressegespräch eingeladen waren. „Unser Vater war sein Leben lang kein Parteimitglied“, versichert Eleonore Tinzl. „Man tut ihm unrecht“, sagte Waltraud Kowarik. Max Rieder (1909–2000) sei im Salzburg der 1930er-Jahre arbeitslos gewesen, 1936 habe er deswegen die Stadt verlassen. Ab 1938 habe er im Münchener Atelier Josef Thoraks gearbeitet, allerdings immer als freier Mitarbeiter, versichern die Töchter. Alle Unterlagen aus dem Familienarchiv seien einzusehen, es sei auch nie verschwiegen worden, dass ein Gipsabdruck von „Mutter mit Kind“ 1944 in der Ausstellung „Deutsche Künstler und die SS“ in der Salzburger Residenz gewesen sei. Den Vater deshalb als „nationalsozialistischen Künstlerstar“ zu bezeichnen, grenze an Rufmord, sagte eine der Töchter. Hildegard Fraueneder konzedierte, dass der im Dezember 2010 fixierte Untertitel in Hinblick auf Max Rieder nicht korrekt sei, „uns tut das leid“. Anliegen sei nicht, über einzelne Künstler „mit der Moralkeule drüberzuschlagen“. Allerdings: „Wir versuchen, uns ohne Schönschreibung der Problematik anzunähern.“ Thema Mutterschaft Sie erinnerte daran, dass die Salzburger Ausstellung mit „Mutter mit Kind“ (die Skulptur steht nun im Park des Landeskrankenhauses) von der SS organisiert worden sei. Und Max Rieder habe drei Mal im Münchener Haus der Kunst an der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ teilgenommen. Zudem sei das Thema Mutterschaft typisch für die NS-Zeit.
Dieses Thema hat Clara Widerin für „Rollentausch“ aufgegriffen und dafür auf einem digitalen Foto aus Rieders „Mutter“ einen Mann geformt (Bild oben). Damit frage sie, ob und wie sich damalige Geschlechterrollen heute noch auswirkten, sagte die Studentin.