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Vier Gurkerln zum Quadrat gibt einen Wurm

11.08.2010 | 19:04 | EDITH SCHLOCKER (Die Presse)

„Selbstporträt als Essiggurkerl“: Was hat die Gurke mit dem Menschen gemeinsam? Eigentlich nichts, außer der Tatsache, dass kein Mensch einem anderen haargenau gleicht – genauso wie keine Gurke einer anderen.

Was hat die Gurke mit dem Menschen gemeinsam? Eigentlich nichts, außer der Tatsache, dass kein Mensch einem anderen haargenau gleicht – genauso wie keine Gurke einer anderen. Vielleicht stellt der längst international umtriebige österreichische Bildhauer Erwin Wurm ja deshalb dieses Gemüse immer wieder auf den Sockel – in seiner aktuellen Ausstellung im Salzburger Museum der Moderne am Mönchsberg sind es 36 in unterschiedlichsten Größen.

„Selbstporträt als Essiggurkerl“ nennt der aus dem steirischen Bruck an der Mur stammende Wurm diese schräge Installation, in der der Künstler mit viel Ironie für die unterschiedlichsten Facetten seines Ich Stellvertreter in Gurkenform kreiert hat – gegossen in Acryl und derart hyperrealistisch bemalt, dass der Ausstellungsbesucher versucht ist hinzugreifen. Wurms Gurkensortiment spielt alle Stückerln: Es gibt rührend winzige Babygurken, makellos schlank gewachsene und buckelig gekrümmte, große und kleine, fette, pickelige, warzige, stachelige, fleckige, solche in elegantem, samtig moosigem und andere in glänzend ordinärem Grün. Erst einmal staunt der Ausstellungsbesucher über die Vielfalt des hier vorgeführten Gurkigen, bevor sich bei so manchem der hungrige Magen regt. Bei anderen wieder regen sich angesichts der stramm sich reckenden Gurken Gelüste anderer Art, das Gurkerl zur Gurke. Aber auch der Gedanke an viel geschmähte Saure-Gurken-Zeiten mag auftauchen, wird angesichts des opulenten Salzburger Festspielgetümmels aber postwendend wieder verscheucht.

Wurms „Selbstporträt als Essiggurkerl“ wird in dieser Vollständigkeit erstmals in Europa in der Salzburger Ausstellung präsentiert. Und dass er ein Gemüse zum autonomen skulpturalen Objekt erhöht, ist ganz typisch für den die extravagante Attitüde liebenden „Künstler des Jahres“ 2007.

Das performative Element spielt in Wurms Kunst eine zentrale Rolle. Hier kann er sein Faible für das Absurde lustvoll ausleben, wie die ebenfalls am Mönchsberg gezeigten Videos vorführen. Der inzwischen 56-Jährige degradiert hier seinen Körper wieder zum bildhauerischen Material, das er bis an die Grenzen des physiologisch Möglichen ausreizt – indem er etwa sämtliche Körperöffnungen mit Objekten besteckt, die hier eigentlich nichts zu suchen haben. Erwin Wurm liebt es, ein Bild von sich zu entwerfen. Mit einem Selbstbildnis im auch nur entfernt traditionellen Sinn haben seine als Essiggurkerl natürlich nichts zu tun. Dafür sehr viel mit Selbstironie, zelebriert als verwirrungstiftendes Spiel rund um die weniger denn je klar definierte Rolle des Künstlers in der Welt von heute – indem er sich zum Gemüse stilisiert, das allerdings nicht vergänglich ist, sondern zur Metapher für das pralle Leben wird.

Bis 10. Oktober im MdM Mönchsberg.


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