Salzburger Nachrichten am 27. April 2006 - Bereich: Kultur
Die Kunst, mit dem Wasser zu bauen Eine Ausstellung im
Wiener Ringturm zeigt ab heute, Donnerstag, Europas beste Bauten. Zu sehen
sind Werke der Preisträger des Mies-van-der-Rohe-Preises.
ANNE ISOPP WIEN (SN). Ohne Wasser geht in den Niederlanden gar nichts.
Das Land durchziehen Millionen Wasserläufe, was vom Flugzeug aus
betrachtet besonders eindrucksvoll ist. Kein Wunder also, dass die
Holländer sich auch im Ausland zum Wasser hingezogen fühlen. Die neue
niederländische Botschaft in Berlin steht so auch unmittelbar an der Spree
- weit entfernt vom Diplomatenviertel am Tiergarten, wo die meisten
anderen Botschaftsneubauten in den letzten Jahren entstanden sind. Der Entwurf für das im Jahr 2003 fertig gestellte Gebäude stammt von
dem Holländer Rem Koolhaas, einem der bekanntesten Architekten und vor
allem Architekturtheoretikern unserer Zeit. Gemeinsam mit Ellen van Loon
erhielt er für diesen Bau den Mies-van-der-Rohe-Preis, eine der weltweit
renommiertesten Auszeichnungen für zeitgenössische Architektur. Alle zwei
Jahre wird sie im Andenken an die epochalen Leistungen des
Bauhaus-Meisters van der Rohe von der Europäischen Union vergeben. Im Ringturm in Wien ist ab heute, Donnerstag, die durch Europa tourende
Ausstellung zum Mies-van-der-Rohe-Preis 2005 zu sehen. Das Siegerprojekt,
der Anerkennungspreis für viel versprechende junge Architektur und 31
weitere ausgewählte Bauten sind in Form von Modellen, Plänen und Fotos
ausgestellt. Österreich mischt in der europäischen Elite mit Aus rund 240
Vorschlägen hatte eine internationale Jury unter dem Vorsitz von Zaha
Hadid diese ausgewählt. Vier österreichische Gebäude sind darunter
vertreten: Das T-Center in Wien von Architektur Consult, das Efaflex
Betriebsgebäude von ARTEC Architekten in Baden, das Grazer Kunsthaus von
Peter Cook und Colin Fournier sowie das Grazer Kindermuseum von fasch
& fuchs. Damit ist Österreich nach Großbritannien, Frankreich und
Spanien in einem hohen Maße unter "Europas besten Bauten" vertreten. Wie so oft bei seinen Projekten hat sich der Niederländer Rem Koolhaas
mit seinem Rotterdamer Büro OMA auch bei der niederländischen Botschaft in
Berlin gängigen Mustern widersetzt. Der Bau lehnt sich an das für Berlin
typische Prinzip der Blockrandbebauung an und hintergeht es im gleichen
Moment: Am Spreeufer steht ein gläserner Würfel - die eigentliche
Botschaft. Zur Rückseite hin wird dieser Solitär von einem L-förmigen
Baukörper umrahmt. Hier sind Infrastruktur und Gästeappartements
untergebracht. Beide Bauten sind über Brücken miteinander verbunden und
nehmen gemeinsam wiederum die Kubatur einer Blockrandbebauung ein.
Zwischen den Bauteilen aber führt eine Straße hindurch, die sich im
Gebäude in Form eines Ganges fortsetzt. "Eine kraftvolle Neukonzeption der
Bauaufgabe Botschaft sowie eines Gebäudes im städtischen Gefüge", lobte
die Jury das Projekt. Eine von Rem Koolhaas' Neuinterpretationen begleitet uns derzeit
täglich: Die Collage der Europaflaggen. Denn das offizielle Logo der
österreichischen EU-Ratspräsidentschaft stammt aus der
Koolhaas-Denkwerkstatt. Diese nennt sich AMO und ist geistiges Gegenstück
zu OMA, wo die architektonischen Projekte realisiert werden. Bereits 2001
wurde dieser Barcode im Zuge einer Studie für die EU entwickelt.Europas
beste Bauten. Mies-van-der-Rohe-Preis 2005 ist vom 27. April bis zum 9.
Juni im Wiener Ringturm zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog
erschienen (nur in englischer und spanischer Sprache), Verlag Actar. |