Fernando Feijoo nutzt traditionelle Gestaltung und Technik des Siebdrucks für ein kritisch-ironisches Statement zum Stierkampf: "Role Reversal" (2009)
Wien - Dürers Hase in einer grob zusammengezimmerten, hölzernen Transportkiste: Man kann fast nicht anders als das Plakatsujet von Klaus Staeck als kritischen Seitenhieb auf die Albertina - einst "Grafische Sammlung Albertina" - zu sehen: auf die Verleihpolitik des Häschens und den Umstand, dass in einer der größten und bedeutendsten grafischen Sammlungen der Welt die Grafik nur mehr Nebengeschäft ist.
Eine Hauptrolle spielt zeitgenössische Grafik derzeit allerdings im Künstlerhaus, wo die gemeinsam mit Krakau und Oldenburg organisierte Grafik-Triennale neuerlich Station macht: Unter dem Titel Multiple Matters. Grafische Konzepte zeigt man dort druckgrafische Arbeiten von 145 Künstlerinnen und Künstlern.
"In Krakau gibt es eine große grafische Tradition", erzählt Georg Lebzelter, der gemeinsam mit Sergius Kodera die Arbeiten für die Wiener Ausstellung kuratierte. "Polnische Plakatkunst (Anm.: Beispiele von Piotr Kunze präsentiert eine begleitenden Schau im k/haus-Kino) ist weltberühmt", und auch die künstlerische Ausbildung in Krakau spiegelt den großen Stellenwert der druckgrafischen Techniken.
"Bereits 1966 startete Krakau mit einer internationalen Grafik Biennale, die ein großes Netzwerk an Kontakten erschloss, die sonst nicht möglich gewesen wären. Die Druckgrafik machte es sehr einfach, Ost- und Westkunst unter dem Eisernen Vorhang durchzuschieben": Die Arbeiten auf Papier waren in einer Rolle sehr einfach in alle Welt zu verschicken. Nach dem EU-Beitritt Polens musste man jedoch in Krakau eine neue Ausrichtung suchen, und so sei es 2006 zur Kooperation mit Oldenburg und Wien gekommen.
Kunst für Botschaften
Dass das gegenüber der Malerei wesentlich günstigere künstlerische Medium Druckgrafik wieder stärker ins Zentrum des Interesses gerückt ist, hat aber laut Lebzelter weniger mit der Situation am Kunstmarkt oder einer krisenbedingt verringerten Kaufkraft zu tun. "Vielmehr rührt das große Interesse - zum Teil hängt das sicher auch mit der Krise zusammen - daher, dass viele Künstler die Grafik wieder sehr als Kunst für zu verbreitende Botschaften nutzen: als Agitationsbild, als Bild mit teilweise ironischen, teilweise pointierten Aussagen zu aktuellen Geschehnissen."
Der Charakteristik des Mediums Grafik, ihrer nun neu bewerteten Möglichkeiten der Vervielfältigung von (Bild-)Botschaften, ist daher auch der Schwerpunkt der Ausstellung gewidmet: die Multiplizierbarkeit von Argumenten und Anliegen - oder wie es der Titel auf eine kurze Formel bringt: Multiple Matters. Wie unterschiedlich die grafischen Konzepte sind, die Künstler mit diesen Möglichkeiten verknüpfen, welche Inhalte und Ideen - formaler, inhaltlicher und technischer Natur - sie mit Mitteln der Druckgrafik transportieren, lässt sich in der Ausstellung ablesen.
Raumgreifende Grafik
Ebenso wie der Umstand, dass die Druckgrafik inzwischen jedes Format sprengt und sich auch - etwa in den Arbeiten von Ingrid Ledent und Michael Wegener - dreidimensional ausdehnt und skulpturale Qualitäten gewinnt. Wichtig ist aber auch, dass es bei den druckgrafischen Techniken, die man im Kapitel Labor des Multiplizierbaren vorstellt, inzwischen keinen großen Unterschied mehr macht, ob der Druckstock analog oder digital ist, so Lebzelter. Freilich ist die vortreffliche Handwerklichkeit und Akribie mit der die Ukrainerin Olena Gaidamaka Fotos Pixel für Pixel in Linolschnitt überträgt, faszinierend. Ebenso beeindruckend sind die Farbholzschnitte der finnischen Künstlerin Reetta Ahonen, die die architektonischen Reflexionen auf Autokarossen fast fotorealistisch wiedergibt. "Die Druckgrafik kann vieles sichtbar machen, was in der Malerei nicht möglich ist, denn dort sehe ich nur das Endprodukt, nur die letzte Schicht."
"Die größten Innovationen für die Druckgrafik stellen jedoch die digitalen Drucktechniken dar", erklärt Kurator Lebzelter. Diese haben eine Qualität erreicht, die auch für das Herstellen von Kunstwerken tolle Ergebnisse liefert. "Das verändert den ganzen Umgang mit Druckgrafik: Nicht nur Künstler, die mit klassischen, stark handwerklichen Techniken wie Holzschnitt oder Radierung gearbeitet haben, setzen sich nun mit dem Druck auseinander."
Im Übrigen: Das Langohr am Plakat hat Staeck ursprünglich für das Plakat zum Welttierschutztag 1987 in die Holzkiste gesteckt. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 21.5.2010)
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