Blühendes Mischwesen aus Mensch und Petunie
MARTIN BEHRLINZ (SN). Das preisgekrönte Objekt ist nur via Fotos und Samenpackungen zu sehen. Die Einfuhr der vom Amerikaner Eduardo Kac in sechs Jahren entwickelten Petunie, die DNA-Informationen aus dem Blut des Künstlers in einer markanten roten Äderung der Blütenblätter sichtbar macht, wurde verboten. Das Mischwesen aus Mensch und Pflanze heißt „Edunia“ und stellt auch die Kunstveranstalter vor neue gesetzliche Herausforderungen, wie Genoveva Rückert, Kuratorin der Ausstellung „Cyberarts 09“ im Linzer OK Offenes Kulturhaus betont.
Für seine Arbeit hat Eduardo Kac die Goldene Nica in der Sparte „Hybrid Art“ beim diesjährigen „Prix Ars Electronica“ gewonnen. Das Projekt einer Gen-Verpflanzung mag für die Fachwelt nicht neu sein, für das Betriebssystem Kunst ist es allemal spektakulär und ermöglicht Diskussionen rund um Grenzen und Grauzonen der „Biokunst“.
Im OK, wo die besten Einreichungen zum diesjährigen Wettbewerb für Computerkunst präsentiert werden, ist viel vom Dialog Mensch, Maschine und Natur die Rede, auch eine „starke Verwebung des realen mit dem digitalen Raum“ (Rückert) erkennbar. Als Gencode-Hacker betätigen sich etwa Shiho Fukuhara und Georg Tremmel, wenn sie die patentierte blaue Gen-Nelke „Moondust“ rekonstruieren und frische Pflanzen züchten: „Common Flowers – Flower Commons.“ Einige Arbeiten belegen, wie man Industrieroboter jenseits ihrer ursprünglichen Bestimmung nutzen kann. Als raupenähnliches Überwachungsgerät etwa, das mit seinem lustigen Glubschauge Museumsbesuchern nachspürt (Projekt: „Double-Taker/Snout“) oder als Schreibsklave, der programmiert ist, die gesamte Bibel auf Papierrollen niederzuschreiben. „Wie ein Mönch kalligrafiert der Roboter sieben Monate lang und thematisiert damit die Bedeutung der Schrift für Religion und Wissenschaft“, erklärt Matthias Gommel von der deutschen Gruppe „robotlab“.
In der Sparte „Interactive Art“ reicht die Bandbreite von ironischer Subversivität bis zur monströsen Meditationsmaschine. Unter dem Titel „Opera Calling“ haben Aktivisten der Mediengruppe Bitnik Wanzen im Züricher Opernhaus versteckt und so 4363 Haushalten die Möglichkeit geboten, via Telefon Arien live zu konsumieren. Lawrence Malstaf wiederum lädt zur Selbsterfahrung in den PVC-Zylinder. Wo Windmaschinen Tausende Styroporkugeln rotieren lassen, können die Gedanken flottieren: auch tauglich für Wellnesscenter und Vergnügungsparks.Homunculus als Actionheld Szenenwechsel ins Brucknerhaus. Dort blickt die Ars Electronica auf die vergangenen 30 Jahre und die ersten Gehversuche in die digitale Revolution zurück. Apropos gehen. In der „Human Nature Exhibition“ imitiert ein aus Latexabgüssen von der Haut des Künstlers Adam Brandejs genähter Sportschuh menschliche Bewegungen. Unweit davon zeigt Brandejs biotechnisch erzeugte Kreaturen, praktisch verpackt: Homunculi als Actionfiguren, wie aus dem Supermarktregal. Die seltsamen Skelette von Shen Shaomin wiederum lassen an offenbar bereits ausgestorbene hybride Tierarten denken. Alles Schimäre? Auch die Evolution?